Schriftträger waren in vormoder-
ner Zeit nicht nur Papyri, Bücher oder
Holztafeln, sondern in einer Vielfältig-
keit auch Standbilder, Torbögen, Grab-
platten oder Reliquiare. Auch spät-
mittelalterliche und frühneuzeitliche
Blankwaffen verschiedener Typen und
Provenienzen wurden umfangreich als
Schriftträger verwendet und die auf-
gebrachten Inschriften eng mit der
gedachten Stellung ihrer Besitzer - zu-
meist Angehörige der Ritterschaft -
verknüpft. Dieser Kontext soll in dieser
Arbeit aufgegriffen und anhand ausge-
wählter Beispiele zeitgenössischer Rea-
lien vertieft werden. Um eine sinnvolle
Eingrenzung zu erreichen, soll sich die
Betrachtung auf Stücke aus dem Gebiet
des Heiligen Römischen Reiches be-
schränken und einen konkreten Zeit-
raum von Anfang des 15. Jahrhunderts
bis Ende des 16. Jahrhunderts umfas-
sen. Aus jedem der zwei betrachteten
Jahrhunderte wird in diesem Beitrag
jeweils ein Realstück untersucht.
Waffen der frühen Neuzeit tradieren
noch einen religiösen Bezug, gerade
wenn man Realien der Reformations-
zeit betrachtet, welche zeitlich am Ende
der gesetzten Betrachtungsperiode
stehen. Doch hier gibt es auch Abwei-
chungen, welche sich wieder im zeitli-
chen Kontext einordnen lassen. Gerade
bei diesen Stücken finden sich nun zu-
nehmend Inschriften, welche an Wahl-
sprüche der Heraldik erinnern oder
den Mut, die Tapferkeit sowie die Red-
lichkeit des Waffenträgers beschwören
sollen. Anhand einer Inschrift auf dem
Knauf eines Nierendolches norditalie-
nischer Provenienz um 1420 kann bei-
spielsweise dezidiert auf Armreliquiare
Bezug genommen werden. Es lässt sich
jedoch anhand der untersuchten In-
schriften auch ein Rückschluss auf die
Frage ziehen, inwieweit Literalität und
Bildung in den betrachteten Jahrhun-
derten voranschritten.
Das Aufbringen der Inschriften und
die ausführenden Hände.
Das Aufbrin-
gen der Inschriften auf Blankwaffen
unterstellt eine absicht-
liche und zielgerichtete
Handlung. Generell muss
an dieser Stelle festge-
stellt werden, dass bei-
leibe nicht alle Realien
der untersuchten Epo-
che mit Inschriften versehen wurden.
Die Inschrift auf einer Blankwaffe ist
also kein allgemein übliches zeitge
nössisches Merkmal, sondern immer
etwas Besonderes.
Die Technik zur Schaffung der In-
schriften ist demnach nicht allein bei
blanken Waffen des betrachteten Zeit-
raums angewendet worden. Inschriften
auf Stein oder Metall sind im Allgemei-
nen auf vielen erhaltenen Sachüber-
resten des Mittelalters zu finden, und
die Epigrafik widmet sich deren Erfor-
schung. Für die vergleichende Betrach-
tung sind vor allem die Inschriften auf
metallenen Gegenständen des späten
Mittelalters und der frühen Neuzeit
von Interesse, da hier der Schriftträ-
ger ebenfalls Metall ist, ganz so wie bei
Blankwaffen der Fall. Im Gegensatz zu
steinernen Schriftträgern, wie etwa
Grabplatten oder Standbildern, muss
die Arbeitsweise bei metallenen Ge-
genständen also vergleichbar gewesen
sein, egal, ob nun ein Armreliquiar oder
eine Schwertklinge mit einer Inschrift
zu versehen war. Ganz abgesehen vom
Aufwand, da die Schwertklinge natür-
lich härter ist als das weichere Edelme-
tall des liturgischen Prunkobjekts.
Die Arbeitstechnik, mit der die
Blankwaffen beschriftet und/oder mit
Symbolen versehen wur-
den, war die Gravur. Die
gewünschten Buchsta-
ben oder Symbole wur-
den mittels Pause oder
Reibeabdruck auf die zu
gravierende Stelle über-
tragen, die beileibe nicht nur die Klinge
sein musste. Der Ort für die Inschriften
war dort jedoch zumeist eine oder beide
Hohlkehlen, also die mittig laufenden
rinnenartigen Vertiefungen auf beiden
Klingenseiten.
Im Boden dieser Rinnen waren die
fertigen Inschriften am besten ge-
schützt, beispielsweise vor Abriebdurch
Hineinstecken oder Herausziehen aus
der Scheide. Die durch eine Schablone
auf die Gravierfläche gebrachte Vorla-
ge wurde nun mittels Grabsticheln oder
Meißeln in das Metall eingearbeitet.
Im Gegensatz zu Gravuren bei Reli-
quiaren oder anderen liturgischen Ge-
genständen aus Edelmetall wurden die
Klingengravuren jedoch nicht nur bloß
vertiefend in das Metall geschnitten.
Die einzelnen spanabhebend geschnit-
Historische Waffen sind klassischerweise Sachüberreste. Stellt man die richtigen Fragen an die Realien,
geben sie beispielsweise Antwort auf die zeitgenössische Herstellungsart, den Handel mit selbigen
oder den Einsatz. Was diese Realien noch offenbaren können, zeigt dieser Beitrag auf.
Religiöser
Hintergrund
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SEBASTIAN THIEM
Religiöse Inschriften
oder Inschriften, die
an Wahlsprüche der
Heraldik erinnern
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Blankwaffen
Inschriften und ihre Aussagen
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