DWJ 2016-08 - page 97

einmalige Tatsache des Vergessens der
Waffe darauf hindeuten könne, dass
ein Waffenbesitzer mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit erneut nicht ord­
nungsgemäß mit Waffen oder Muni­
tion umgehen werde. Eine an Sicherheit
grenzende Wahrscheinlichkeit sei in­
soweit nicht erforderlich.
Mit der Begründung, die bereits das
Bundesverwaltungsgericht im Jahre
1994 angegeben hatte, sei das mit jedem
Waffenbesitz verbundene Risiko nur
bei solchen Personen hinzunehmen,
die nach ihrem Verhalten Vertrauen
darin verdienen, dass sie
mit Waffen und Muni­
tion jederzeit und in jeder
Hinsicht ordnungsgemäß
umzugehen wissen.
Dann aber holt das
Oberverwaltungsgericht
Hamburg weit aus, um die Auffas­
sung des Klägers, sein Fehlverhalten
habe zu keiner konkret gefährlichen
Situation geführt, zu widerlegen. Es
nimmt an, dass unmittelbar die Gefahr
entstanden ist, dass ein zum Waffen­
besitz Unberechtigter den Koffer an
sich nimmt und diese Gefahr nicht da­
durch beseitigt wird, dass es sich um
einen umsichtigen und rechtstreuen
Finder handelt.
Ein weniger rechtstreuer Finder hät­
te nach Ansicht des Oberverwaltungs­
gerichts den Koffer in seinen privaten
Räumlichkeiten trotz der Verriegelung
durch das Zahlenschloss in aller Ruhe
geöffnet und sich Waffen und Munition
aneignen können, um diese entweder
selbst zu behalten (und gegebenenfalls
missbräuchlich zu verwenden) oder
sie rechtswidrig an andere Personen
zu veräußern.
Trotz der Angabe des Waffenbesit­
zers, dass er bei der gefundenen Bock­
doppelbüchse den Kippblock entfernt
habe, nimmt das Gericht an, dass ein
nicht rechtstreuer Finder sich selbst
auf dem schwarzen Markt ein solches
Teil verschaffen könnte.
Weiterhin hält es dem vergesslichen
Jäger vor, dass er auch nicht die zutref­
fende Stelle über den Verlust des Waf­
fenkoffers informiert habe, nämlich
seine Waffenbehörde.
Seine Vorsprache auf der Polizeiwa­
che sei nicht ausreichend, weil nicht die
örtliche Polizeidienststelle, sondern
die Waffenbehörde die zuständige Be­
hörde im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1
WaffG sei, und die Polizeidienststelle
nicht verpflichtet sei, die zuständige
Waffenbehörde zu informieren (OVG
Hamburg, Beschluss vom 7. August 2015
- 5 Bs 135/15).
Verlieren als Überlassen.
Zurück zum
zuvor
beschriebenen
Ausgangsfall
des Verlierens der Waffen durch einen
Sportschützen. Hier kam eine ande­
re Erlaubnisbehörde zu dem Schluss,
dass das Verlieren oder Vergessen einer
Waffe in einem verschlossenen Waf­
fenkoffer nicht nur die Unzuverlässig­
keit aufgrund der verwaltungsrechtli­
chen Vorschriften und Verpflichtungen
des Waffengesetzes auslöse, sondern
sogar die Straftat des Überlassens
an einen Nichtberechtig­
ten beinhalte. Wenn man
hierzu auf die Definition
des „Überlassens“ wie sie
sich im Waffengesetz und
auch in der allgemeinen
Verwaltungsvorschrift
zum Waffengesetz wiederfindet, zu­
rückgreift, gilt folgender Tatbestand:
Ein Überlassen im waffenrecht­
lichen Sinne liegt vor, wenn die tat­
sächliche Gewalt einer anderen Person
eingeräumt wird. Es ist nicht Voraus­
setzung, dass der Überlassende selbst
seine tatsächliche Gewalt vollständig
aufgibt. Ein Überlassen ist vielmehr
auch dann anzunehmen, wenn lediglich
einer weiteren Person die Ausübung der
tatsächlichen Gewalt ermöglicht wird
(zum Beispiel Begründung der gemein­
schaftlichen Ausübung; Aushändigung
von Zweitschlüsseln). Im Gegensatz zu
dem Begriff des Erwerbens, der auch
eine einseitige Inbesitznahme beinhal­
tet (zum Beispiel durch Fund), erfordert
der Begriff des „Überlassens“ einen
Vorgang, an dem notwendigerweise
zwei Personen beteiligt sein müssen,
ein Gebender (Überlasser) und ein Neh­
mender (Erwerber).
Insofern sind die Ausführungen in
der zugrunde liegenden Bundestags­
drucksache (VI/2678 Seite 26) nicht
zutreffend, da hier das Erwerben mit
dem Überlassen gleichgestellt wurde.
Geht man aber davon aus, dass unter
einem Überlassen jede mit der Über­
tragung des unmittelbaren Besitzes
verbundene Einräumung der tatsäch­
lichen Möglichkeit zu verstehen ist, ist
hieraus auch ein subjektives Element
zu entnehmen.
Soweit § 34 WaffG bestimmt, dass
Waffen oder Munition nur berechtig­
ten Personen überlassen werden dür­
fen und die Berechtigung nachgewie­
sen sein muss, bedeutet dies auch, dass
eine subjektive Komponente mit zu be­
rücksichtigen ist. Der Grund des Über­
lassens von Waffen ist unerheblich.
Dahinter können verschiedene Rechts­
gestaltungen stehen, wie zum Beispiel
Kauf, Tausch, Miete, Leihe, Schenkung,
Hingabe als Pfand und so weiter. Im­
mer aber muss hier auch eine bewuss­
te Übertragung vorliegen, was ja beim
Verlieren einer Waffe nicht gegeben
sein kann, sonst wäre ja sogar der wi­
derrechtliche Fall der Wegnahme einer
Schusswaffe bei einem Einbruch oder
einem Überfall als Überlassen an den
Einbrecher zu werten!
Schon vor vielen Jahren hat der
Bundesgerichtshof entschieden, dass
das vorübergehende Ablegen einer Gas­
pistole auf einer Kommode in Reich­
weite eines anderen für sich allein noch
kein „Überlassen der Waffe“ an diesen
darstellt, damit das subjektive Element
betont. Begründet wurde dies damit,
dass auf den als tatsächliches Herr­
schaftsverhältnis mit Herrschaftswil­
len und Herrschaftswissen gekenn­
zeichneten Begriff der tatsächlichen
Gewalt abgestellt wird.
Zudem kann ja ein solcher Vorgang
des Überlassens auch nur durch den
Überlasser (Waffenbesitzer) vorsätzlich
erfolgen, das heißt, er muss schließ­
lich wissen, wem er die Waffe überlässt.
Ein fahrlässiges Überlassen sieht die
Strafvorschrift des § 52 Absatz 3 Num­
mer 2 ff. WaffG nicht vor. Da jedoch bei
dem Verlieren einer Schusswaffe nicht
gleichzeitig auch die Intention des Waf­
fenbesitzers enthalten ist, diese dem
Finder zu überlassen, ist eine Anklage
gerichtet auf das unerlaubte Überlas­
sen einer Schusswaffe waffenrechtlich
nicht nur bedenk­lich, sondern sogar
contra legem.
9
DWJ-Fazit
9
Auch an den vorgenannten Beispielsfäl-
len sieht man wieder einmal, dass die
genaue Lektüre der waffenrechtlichen
Vorschriften erforderlich ist, um gege-
benenfalls einem Waffenbesitzer einen
strafrechtlichen Vorwurf zu machen,
der in der Folge zu seiner Unzuver-
lässigkeit führen und damit weiterhin
zum Verlust seiner waffenrechtlichen
Erlaubnisse, des Jagdscheins oder der
Sprengstofferlaubnis verwendet wer-
den kann. Die genaue Kenntnis dieser
waffenrechtlichen Vorschriften ist je-
doch auch bei den jeweils zuständigen
Gerichten nicht immer vorhanden, so-
dass es empfehlenswert ist, sich ent-
sprechend anwaltlich fachkundig ver-
treten zu lassen.
Schon ein
zufälliges Finden kann
ein Überlassen von
Waffen darstellen
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wissen
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