Obwohl vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges im sogenannten Dreibund mit Österreich-Ungarn und dem
Deutschen Reich verbündet, trat Italien 1915 gegen Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich in den
Krieg ein. Das Museum in Lusérn erinnert an den verlustreichen Krieg in den Alpen.
An der Front
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DETLEF OLLESCH
Unter Sprachwissenschaftlern ist das
286-Seelen-Dorf Lusérn (italienisch
Luserna) als der letzte Ort in Oberita-
lien bekannt, in dem noch das Zim
brische, der älteste lebendige deutsche
Dialekt, von rund 90% der Einwohner
gesprochen wird. Was bis zum Ersten
Weltkrieg Muttersprache eines großen
Teils der Bevölkerung auf den Hoch-
ebenen und in den Tälern zwischen
Trient und Verona war, hat sich durch
die Kriegsfolgen, die Italienisierungs-
politik Mussolinis und letztlich die
Abwanderung der Menschen aus der
kargen Gebirgslandschaft nur auf dem
Lusérner Ausläufer der Hochebene von
Lavarone erhalten. Hier bildet die tra-
ditionelle Mundart seit Jahren auch die
Basis der touristischen Entwicklung
des Gebietes. Wesentlicher Träger der
damit verbundenen Aktivitäten ist das
„Dokumentationszentrum Lusérn“, das
in dem kleinen Ort mehrere Museen
betreibt, die man in einem Dorf dieser
Größe wirklich nicht vermuten würde.
Neben den üblichen Exponaten ei-
nes Heimatmuseums und der Besied-
lungsgeschichte der Region durch Ein-
wanderer aus Bayern seit dem elften
Jahrhundert ist der Erste Weltkrieg
Schwerpunkt der Dauer-
ausstellung sowie diver-
ser Sonderausstellungen,
deren diesjährige unter
dem Titel „Die zimbri-
schen Hochebenen im
Ersten Weltkrieg“ den regionalen Ver-
lauf und die Folgen dieser Auseinan-
dersetzung für die hiesige Bevölkerung
verdeutlicht – und zwar viersprachig:
Italienisch, Zimbrisch, Hochdeutsch
und Englisch.
Lusérn liegt heute an der Grenze der
italienischen Regionen Venetien und
Trentino-Südtirol. Exakt auf dieser
Linie verlief vor 100 Jahren die Gren-
ze zwischen Österreich-Ungarn und
Italien, was auf beiden Seiten zu einer
regen Festungsbautätigkeit führte. So
entstand in der Nähe des Dorfes die
österreichische Grenzfestung „Werk
Lusérn“, was den Einheimischen in der
armen Bergregion zunächst willkom-
mene Arbeitsplätze bescherte, sie aber
bereits zwei Tage nach dem Kriegsein-
tritt Italiens auf Seiten
der Entente am 23. Mai
1915 zum Verlassen ihrer
angestammten
Heimat
zwang. Bereits am 24.
Mai orgelten die ersten
14,9-cm-Granaten von der italieni-
schen Festung Verena auf das Werk Lu-
sérn herunter, und am 25. Mai schlugen
die ersten 28-cm-Geschosse im Dorf
ein. Die Bevölkerung auf beiden Seiten
der Grenze wurde evakuiert, die Lusér-
ner, sofern sie nicht in den Reihen der
k.u.k. Armee kämpften, fanden bis zum
Kriegsende im nordböhmischen Aussig
Unterschlupf. Das Werk Lusérn wurde
so stark beschädigt, dass es die angrei-
fenden Italiener bereits mit der weißen
Fahne auf dem Dach erwartete, als die
benachbarten Festungen den anrü-
ckenden Feind unter Feuer nahmen und
zum Rückzug zwangen.
Die Ruine des Werks Lusérn ist in
den vergangenen Jahren zugänglich
gemacht worden, jedoch nur über zwei
etwa 2 km lange Fußwege. Im Gegen-
satz dazu sind der österreichische Sol-
datenfriedhof und die nach wie vor
sichtbaren Laufgräben an der Straße
zum Vezzena-Pass für Interessierte
auch mit dem Auto zu erreichen.
Museum.
Die Dauerausstellung be-
inhaltet unter anderem ein 3 m×5 m
großes Modell im Maßstab 1:10000 der
Hochebenen des Trentino-Veneto öst-
lich des Etschtals mit ausführlichen
Darstellungen der sieben österreichi-
schen und fünf italienischen Festungen
aus dem Ersten Weltkrieg sowie den
Kriegsereignissen in Lusérn und ihren
Folgen für die dortige Zivilbevölkerung.
Die aktuelle Sonderausstellung er-
weitert diesen Aspekt auf das ganze
Dreisprachige Ecke im
Norden Italiens mit
schwerer Geschichte
Fotos: Detlef Ollesch
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Das Magazin für Waffenbesitzer
geschichten
Museum
Erster Weltkrieg imTrentino
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