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von Standardredakteur

Erleichterung für Museen

Der folgende Beitrag stellt eine Initiative zur Änderung der Kriegswaffenliste und deren Munition vor. Ziel ist es, Waffen und Munition, die vor dem 1. Januar 1946 entwickelt worden sind, aus der Kriegswaffenliste zu streichen. Der Autor begründet diese Initiative ausführlich.

Von Robert Scheithauer

 

Auf der Kriegswaffenliste sind zahlreiche Waffenmodelle zu finden, die dort bei rationaler Betrachtung nicht mehr hingehören. Das hat negative Folgen für die museale Bearbeitung solcher Stücke, die Bewahrung von Zeitzeugen der Technikgeschichte ist dadurch erheblich erschwert. Gerade diese Bewahrung, aber auch die detaillierte Dokumentation der zugrunde liegenden Techniken und Technologien, ist Gegenstand der Arbeit der Gesellschaft für Technikgeschichte (GTG). Sie ist ein Zusammenschluss von Experten, Mitglieder sind Ingenieure, Physiker, Chemiker, Historiker, Feuerwerker, Juristen und weitere Fachleute. Geforscht wird seit über 30 Jahren.

Vorbemerkungen. Die Tätigkeit der GTG umfasst das Studium der Entwicklung der Artillerie in den letzten 600 Jahren. Für wichtige Epochen der Waffengeschichte sind genaue Quellenstudien und Untersuchungen an Fragmenten der Originale durchgeführt worden. Als Ergebnis dieser grundlegenden und in Deutschland wohl einmaligen Arbeiten wurden von der Gesellschaft funktionsfähige Geschütze der vergangenen sechs Jahrhunderte erforscht und erprobt. Zusammen mit den theoretischen Arbeiten liegen hier „greifbare“ Zeugnisse aus der Geschichte der Technik vor.

Der Umfang des Studiengebietes und die Klärung der sich hieraus ergebenden Fragen und Aufgaben wird mit Sicherheit noch mehrere Generationen von Wissenschaftlern beschäftigen.

Bekanntlich wird in der Forschung mit der Klärung jeder Einzelfrage lediglich die Tür in einen neuen Raum voller Fragen aufgestoßen. Die Erreichung dieser Arbeitsziele hängt von geeigneten Mitarbeitern ebenso ab, wie vom möglichst ungehinderten Zugang zu Untersuchungsmaterial.

Die Gesellschaft für Technikgeschichte arbeitet mit staatlichen und privaten Museen, Instituten und Interessengemeinschaften zusammen. Das bietet die Möglichkeit zum Austausch von Erkenntnissen und zur Klärung weiterführender Fragestellungen. Auf die Übereinstimmung mit dem Grundgesetz (GG), Artikel 5 (3), wonach Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre frei sind, muss an dieser Stelle hingewiesen werden. Das ist deshalb notwendig, weil der deutsche Gesetzesperfektionismus Wissenschaftler wie auch Museumsleute leicht vor die Wahl stellt: Entweder erfüllen sie ihre amtliche und private Pflicht voll und archivieren aktuelle technische Produkte = Kulturgüter rechtzeitig, im besten Erhaltungszustand und in ausreichender Menge – dann laufen sie Gefahr, in die hier unvermeidlichen Grauzonen des Gesetzes zu geraten. Oder sie wollen „vor allem ruhig schlafen“ (Originalzitat von Dr. J.) und vernachlässigen dabei ihre eigentliche Aufgabe. Dann lassen sie aber unersetzliche Belegstücke unwiderruflich untergehen (ein Beispiel dafür sind Steuergeräte zur COBRA).

Die Fachsammlungen in privater Hand ergänzen nicht nur die Tätigkeit der Museen sondern komplettieren auch immer wieder signifikant deren Bestände. Sie sind gekennzeichnet durch überdurchschnittliche Initiative, finanzielles Engagement sowie hohen Arbeitseinsatz, bieten fallweise seltenere, wertvollere oder originellere Exponate als staatliche Museen. Die Gründe dafür sind gelegentlich vorkommende höhere Sachkunde im Detail, leichter verfügbare Finanzen und starkes unabhängiges persönliches Engagement.

Im folgenden Beitrag wird der Gegenstand der Initiative erläutert und die Ausgangssituation und Fragestellung verständlich dargestellt. Es folgen Abgrenzungsbetrachtung zu den Stückzahlen, der Unbrauchbarmachung, bei der es um eine Praxis mit Sachkunde und Augenmaß geht, zur Archivierung von Material, zu Abgrenzungskriterien und Bewertungsmaßstäben, zur Wiederverwendbarkeit von Munition. Fragen wie Ausnahmesituationen, der Aspekt von nach 1945 veraltetem Material sind zu erörtern.

Beim Punkt „Öffentliche Sicherheit“ geht es um sogenannte Verbotene Gegenstände, das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz.

Der Beitrag liefert anschließend eine ausführliche Begründung der Initiative aus dem Blickwinkel von Kulturgeschichte, Forschung und Wissenschaft.

Die politische Problematik einer Änderung der Kriegswaffenliste wird in einem gesonderten Beitrag im DWJ 9/2011 erläutert.

Zweck dieser Initiative ist die Vereinfachung der Kriegswaffenkontrolle durch Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau. Dazu ist eine klare Abgrenzung der Kriegswaffen (ab 1946) von obsoletem Material, das aus der Liste gestrichen werden kann, erforderlich. Als Ergebnis ergibt sich eine Erhöhung der Rechtssicherheit durch Verkleinerung der unvermeidlichen Grauzonen und Arbeitserleichterung im Bereich von Behörden, Wissenschaft, Museen und Fachsammlungen.

Gegenstand der Initiative. Ziel ist es, dass – im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes – die Kriegswaffeneigenschaft aller Feuerwaffen sowie der dazugehörigen Munition, die bis zum Ende des Jahres 1945 eingeführt wurden, untersucht wird. Darüber hinaus wird dabei ein praktischer Ansatz entwickelt, diese Gegenstände behördenseitig ausreichend zu verwalten, den Handel und die Unterbringung zu reglementieren, sowie in geltendes Recht und bestehende Gesetze einzubinden.

Ausgangssituation und Fragestellung. Die derzeitige Rechtslage ist gegeben durch das 8. Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Absatz 2 des Grundgesetzes – Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG), neugefasst durch Bekanntmachung vom 22. November 1990, Bundesgesetzblatt I 2506, und die Kriegswaffenliste (derzeitiger Stand).

In der Präambel (§1) des Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen werden Kriegswaffen wie folgt definiert:

(1) Zur Kriegführung bestimmte Waffen im Sinne dieses Gesetzes (Kriegswaffen) sind ... alle Gegenstände, Stoffe und Orga­nismen ... die geeignet sind, allein, in Verbindung mit­einander oder mit anderen Gegenständen, Stoffen oder Or­ganismen Zerstörungen oder Schäden an Personen oder Sa­chen zu verursachen und als Mittel der Gewaltanwendung bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten zu dienen.

Die Kriegswaffenliste (Rechtsverordnung) als Ergänzung zum KrWaffKontrG ist ein Verzeichnis aller Gegenstände, denen per Gesetz Kriegswaffeneigenschaft zugeordnet wird. Technische, politische und militärische Entwicklungen haben seit dem Erlass des Gesetzes 1961 zu zahlreichen Änderungen in dieser Kriegswaffenliste geführt. So wurden unter anderem Repetiergewehre, Selbstlader, Automatenwaffen der ersten Generation und seit dem 1. April 2003 auch Maschinenpistolen mit Einführungsjahr bis 1945 sowie Maschinengewehre mit Wasserkühlung aus der Kriegswaffenliste gestrichen und dem allgemeinen
Waffenrecht unterstellt.

Die entscheidende Frage lautet: Muss die Kriegswaffenliste terminiert werden, weil die Zeit und die technische Entwicklung vorangeschritten sind? Können diese hier zu betrachtenden Waffen noch Kriegswaffen im Sinne des Gesetzes sein?

Abgrenzungsbetrachtung. In einigen Teilen der Welt werden nach wie vor
Waffen der letzten Weltkriege bei Aufständischen, Unabhängigkeitskämpfern, Freischärlern oder Terroristen benutzt. Es handelt sich beispielsweise um englische Maschinenpistolen Sten Mk I bis Mk IV, Einführungsjahr ab 1940, die russische MP PPSH 41, ab 1941, die US MP THOMPSON M 28, die deutschen MP 38 und 40, sowie den deutschen Karabiner 98 k, Modell eingeführt ab 1898 und verschiedene andere Repetiergewehre, die längst keine Kriegswaffen mehr sind. Diese Waffen sind keinesfalls mehr geeignet für die Auseinandersetzung zwischen Staaten. Schon aus praktischen und logistischen Erwägungen ist ein militärischer Einsatz nicht mehr möglich, da Munition und Ersatzteile nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen, eine Neufertigung oder Reparatur durch das Fehlen von Ersatzteilen, Produktionsstätten und Fertigungsunterlagen im staatlichen Rahmen nicht mehr wirtschaftlich ist.

Mit dem Waffeneinsatz als Mittel des Terrorismus und mit der Eignung von Waffen bei Straftaten oder in Bürgerkriegen befasst sich das Kriegswaffenkon­trollgesetz ausdrücklich nicht. Es befasst sich auch nicht mit der Verwendung von Waffen „als Statussymbol“.

Einige Waffen mit dem Einführungsjahr bis 1945 müssen getrennt beurteilt werden. Dazu gehören unter anderem das MG M2 .50 Browning der US-Armee sowie die MG 1 und MG 3 der Bundeswehr als Nachfolgemodelle des deutschen MG 42.

Eine wichtige Frage, die über eine Brauchbarkeit und damit über eine Einstufung als Kriegswaffe entscheiden kann, ist, ob die Waffe noch Gegenstand des internationalen Waffenhandels ist und somit bei Konflikten zwischen Staaten in nennenswerter Zahl zum Einsatz kommen kann.

Abgrenzung hinsichtlich der Stückzahlen. Aus der Aufgabenstellung des Kriegswaffenkontrollgesetzes ergibt sich bereits, dass Einzelexemplare in der Regel keine „Kriegswaffeneigenschaft“ besit.en können. Die größeren Waffen wie Kampfpanzer und Geschütze sind für die Kriegsführung geeignet ab dem dreistelligen Bereich, leichte Waffen ab dem vierstelligen und die Munition der kleineren Kaliber nur im Millionenbereich.

Die Zahl der in Deutschland noch vorhandenen funktionsfähigen Waffen mit Einführungsjahr bis 1945 ist äußerst gering. Die noch vorhandene Munition ist überlagert; militärisches Limit ist in der Regel zehn Jahre.

Kulturgeschichtlich gesehen ist es dagegen unverzichtbar, dass Belegstücke von Innovationen wie von Versuchsserien (Thema: neue Technologien, Werkstoffe und Funktionsweisen), möglichst rasch und vollständig in die Fachsammlungen gelangen. Gestern oft eine kritisch bewertete Aktualität – heute bereits eine äußerst rare Antiquität. So hatte eine deutsche Firma vor 20 Jahren Versuche zur hülsenlosen Munition für ein moderneres Militärgewehr, G 11 von Heckler & Koch im Kaliber 4,6 mm, unternommen. Der Versuch misslang zunächst. Was ist davon noch zu finden?

Unbrauchbarmachung, – Praxis mit Sachkunde und Augenmaß. Zweck jeder Unbrauchbarmachung ist zwingend, die Weiterverwendung des betroffenen Gegenstandes als Kriegswaffe zu verhindern. Kein Zweck dieser Maßnahme darf es dagegen sein, die betroffene Waffe in einen wissenschaftlich wie museal wertlosen Schrott zu verwandeln. Als zusätzlichen Maßstab bei der Unbrauchbarmachung einer ehemaligen Kriegswaffe können wir die Anforderungen des Güteprüfdienstes des BWB hinzuziehen. Diese enthalten die klare Aussage, welche Gegenstände noch für den hier geforderten militärischen Gebrauch in Betracht kommen. Die völlige Zerstörung eines historischen Gegenstandes, nur damit dieser die Kriegswaffeneigenschaft verliert, ist keinesfalls erforderlich. Eine einfache Maßnahme reicht vollkommen aus. Keine Militärmacht der Erde wird in ihrem Arsenal ein Kanonenrohr akzeptieren, in welches bereits einmal ein Loch von
8 mm Durchmesser gebohrt wurde.

Davon zu unterscheiden ist die Gebrauchsfähigkeit als Waffe, bei welcher Beurteilung dann die Aspekte der öffentlichen Sicherheit und die des zivilen Waffenrechts zum Tragen kommen.

Im Fachgespräch von Experten muss entschieden werden, wie im Einzelfall mit Waffen zu verfahren ist, die nicht mehr in der Kriegswaffenliste geführt werden, von denen jedoch eine gewisse Gefährdung ausgehen kann. Dabei müssen alle Interessen, das historisch-bewahrende eingeschlossen, sorgfältig abgewogen werden.

Als Regelfall im hier vorliegenden Bereich wird auf eine Unbrauchbarmachung, (wie bisher praktiziert) verzichtet werden können. Hier bietet sich vielmehr die Klassifizierung als verbotener Gegenstand unter Kontrolle des Bundeskriminalamtes (BKA) an, das Ausnahmegenehmigungen auf Antrag erteilen kann. Die aus der Kriegswaffenliste herausgenommenen Waffen und Gegenstände unterliegen dann entsprechend ihrer Art den anderen einschlägigen Gesetzen, wie dem Waffengesetz oder dem Sprengstoffgesetz.

Was bedeutet Archivierung von Material? Im Jahr 1966 arbeitete der Verfasser eine Woche am Zeughausmuseum in Kopenhagen. Der hervorragende Fachmann und Leiter der Artillerie-Sammlung Egon Eriksen führte nach einigen Tagen außer der Schausammlung auch die imponierenden Bestände der Depots („das können Sie alles haben, Sie brauchen nur etwas zu bringen, was uns noch fehlt“) vor. In den Beständen fanden sich auch die aus Zink- und Eisenblech gefertigten frühen Friktionszündungen zum momentanen Abfeuern der Schwarzpulver-Geschütze, preußisch und dänisch, aus dem Krieg von 1864.

Auf die Testfrage: „Darf ich Ihnen einen davon in Gold aufwiegen?“, würdigte Egon Eriksen dieses Angebot trotz seines beträchtlichen Besitzes an diesen Reibzündern keiner Antwort – verhalten lächelnd drehte er sich weg.

Kein anderes dem Verfasser bekanntes Museum hat daran gedacht, diese unscheinbaren technischen Dokumente über lange Zeit planmäßig aufzubewahren, unzählige andere, später ebenso wertvolle Belegstücke wandern auch heute noch in den Schrott. Darunter befindet sich auch Material, dessen Wert leichter zu erkennen ist als die vier Maxim-Maschinengewehre 08 aus Bronze, die um 1965 in Stuttgart einfach zusammengeschmolzen wurden, wie auch viele deutsche Panzerbüchsen und Granatwerfer aus dem Zweiten Weltkrieg um 1960 in Ringelstein, welche in den unterirdischen Gewölben dicht gepackt durch die Feuchtigkeit zerstört wurden. Oder die Werkzeuge zur Herstellung der Patronenmunition aus der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts um 1975 in Fürth, welche dem Schrotthändler mitgegeben wurden ... eine Archivierung von Material zur Technikgeschichte der Feuerwaffe erfolgt auch heute nur in Ansätzen planmäßig. Ihre erfolgreiche Durchführung setzt ebenso Fachkräfte voraus, die eine umfassende Sachkunde aufweisen wie sie auch imstande sein müssen, ein gutes Verhältnis herzustellen beispielsweise vom Firmenleiter bis hinunter zum Mann an der Werkbank, oder vom Depotkommandanten bis zum Lagerarbeiter. Vor allem kostet es viel Zeit und Ausdauer. So sollte hier wenigstens in der Handhabung des Gesetzes zur Kontrolle der Kriegswaffen (KrWaffKontrG) eine Erleichterung geschaffen werden.

Abgrenzungskritierien und Bewertungsmaßstäbe. Zünder ohne Zündhütchen sind ein Stück Metall! Enthält ein Zünder noch ein Zündhütchen, ist sein Vorhandensein sowohl bei den Zündern der Artillerie wie bei Patronen und Kartuschen rechtlich ohne Bedeutung, da es sich fachtechnisch hier um Anzündhütchen handelt. Eine Unbrauchbarmachung ist auch unter musealen Gesichtspunkten nicht zwingend geboten, weil die Lagerfähigkeit der Anzündsätze im Gegensatz zu Treibladungspulvern, bestimmten Sprengstoffen und pyrotechnischen Sätzen nicht befristet ist. Die davon ausgehende Gefahr ist gering. Bei musealer Aufbewahrung in Vitrinen oder Schaukästen kann eine Gefährdung ausgeschlossen werden. Analog gilt das für Anzündhütchen in Patronen, zumal eine Entfernung des Zündhütchens zur Zerstörung seltener und technisch außer­ordentlich interessanter Gegenstände führen könnte.

Problemfälle, Grauzone, Wiederverwendbarkeit, Behandlung von Munition. Um Muni­tion unbrauchbar zu machen, ist die restlose Entfernung des Treibladungspulvers aus Kartuschen oder Patronenhülsen, bei den Gefechtsköpfen und Geschossen die restlose Entfernung von Explosivstoffen ausreichend (gegebenenfalls Herauslösen oder Ausbrennen der Leuchtspur). Anforderungen, die faktisch zur Zerstörung des historischen Gegenstandes führen, sind nicht vertretbar.

Ausnahmen. Zusätzlich zu den in oben aufgezeigten Problemfällen existieren Waffenkonstruktionen, die vor 1945 eingeführt und noch in Armeen verschiedener Länder im Gebrauch sind. Dazu gehört das MG .50 (Browning-Maschinengewehr der US-Army). Dessen Einstufung als Kriegswaffe ist aber als Ausnahmefall rechtlich leicht lösbar, zumal die Kriegswaffenliste als Rechtsverordnung ausgestaltet ist (§ 1 Absatz 2 Kriegswaffenkontrollgesetz). Andererseits sind auch überholte Konstruktionen, die erst nach 1945 eingeführt wurden, im Einzelfall aus der Kriegswaffenliste herauszunehmen.

Nach 1945 eingeführtes, aber veraltetes Material. Die COBRA (Contraves-Oerlikon-Bölkow-Rakete) ist als Lenkwaffe der ersten Generation wie andere gleichartige Konstruktionen aus dieser Zeit heute obsolet. Obwohl hier einmalige technische Leistungen und erhaltenswerte Meilensteine der Technikgeschichte vorliegen, sind wir im Jahr 2000 bereits bei den Lenkwaffen der dritten Generation, der „Fire-and-forget“-Waffen, welche die Raketen der ersten Generation als Kriegswaffe unbrauchbar erscheinen lassen. Im Bezug auf diese Waffen sind die Vorschriften des SprengG zur Gewährleistung aller Sicherheitsaspekte voll ausreichend.

Bei den Rohrwaffen kann der Granatwerfer 60 mm ECIA als Beispiel angeführt werden, der heute aufgrund seiner unzureichenden ballistischen Leistung für eine militärische Verwendung ebensowenig in Betracht kommt, wie der ehemalige 5 cm leichte Granatwerfer der deutschen Wehrmacht. Die beim BGS ausgemusterten ECIA-Granatwerfer wollten in den 1960er-Jahren nicht einmal mehr Entwicklungsländer geschenkt bekommen.

Aspekt öffentliche Sicherheit – verbotene Gegenstände, Waffengesetz, Sprengstoffgesetz. Die Gefährlichkeit von Sammlungen muss unter dem Aspekt der öffentlichen Sicherheit sorgfältig und mit Sachkunde abgewogen werden. Durch die weiterbestehende und bei Bedarf erweiterte Zuständigkeit von Waffengesetz und Sprengstoffgesetz ist eine ausreichende Kontrolle gewährleistet.

Es ist keine Frage, die 8,8-Flak war vor mehr als einem halben Jahrhundert ein überdurchschnittlich leistungsfähiges Geschütz. An ihre Reaktivierung im Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes ist dennoch nicht zu denken, und deshalb ist ihre Unbrauchbarmachung in heutiger Zeit abwegig. Hierdurch wird lediglich ein historisches Dokument in seinem wesentlichen Eigenschaften vernichtet, ohne dass daraus für unsere Sicherheit ein Gewinn entsteht. Allein die Wiederherstellung der Munition würde heute Kosten im Millionenbereich verursachen – für ein völlig veraltetes System. Außerdem ist dies durch die Bestimmungen des Sprengstoffgesetzes unmöglich. Für eventuell noch vorhandene alte Munitionsbestände gilt die Grenze der Lagerfähigkeit und Einsatzfähigkeit von 10 Jahren, maximal von 30 Jahren. Außerdem greift hier ebenfalls das Sprengstoffgesetz, sowohl für die Kartuschen wie für die Granaten.

Soweit es aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich ist, sind bestimmte Großwaffen oder Waffenkategorien aus dem Zeitraum bis 1945, die als Kriegswaffen obsolet sind, wie zum Beispiel Geschütze, Flugzeuge, Militärfahrzeuge, Panzer und Panzerkampfwagen sowie Kriegsschiffe zu verbotenen Gegenständen zu erklären. Ein Genehmigungsvorbehalt sollte insbesondere „für wissenschaftliche oder museale Zwecke sowie für Fachsammlungen“ gelten. Hier bietet sich eine Genehmigung wie die rote Waffenbesitzkarte an mit dem Eintrag: „Für ehemalige Kriegswaffen“. Die Kontrolle erfolgt wie bisher durch die zuständige Kreisverwaltung und durch das Bundeskriminalamt. Die Zahl der Bedarfsträger bleibt gering.

Die Sicherheitsvorkehrungen durch das BKA über eine Erweiterung des Begriffs der verbotenen Gegenstände auf Artilleriewaffen könnten hier zusätzlich greifen. In der Kernfrage aber sei hier auf die geschichtliche Begründung verwiesen: „Zur Waffe als Kulturdokument“.

Ergebnis und Umsetzung in die Rechtspraxis. Wegen der vorausgegangenen Erörterungen kommen wir zu dem Ergebnis, dass die bis 1945 eingeführten Feuerwaffen und ihre Munition im Regelfall keine Kriegswaffen im Sinne des Gesetzes mehr sein können. Die Umsetzung durch ihre Streichung aus der Kriegswaffenliste ist fällig, sowohl zur sinnvollen Entlastung der mit der Kontrolle befassten Verwaltung, und ebenso, um historisch wichtige Dokumente einer vergangenen Epoche in einer Form konservieren zu können, die auch von nachfolgenden Generationen als seriös akzeptiert wird. Gleiches gilt für einige einzeln aufzuführende Konstruktionen, die zwar nach 1945 eingeführt wurden, jedoch jegliche Eignung als Kriegswaffe inzwischen verloren haben.

Eine spezielle Erlaubnis für derartige Sammlungen sollte erwogen werden (siehe oben). Eine sicherheitsrechtlich voll ausreichende Lösung wäre die bereits für Handfeuerwaffen praktizierte Eintragung auf eine rote Waffenbesitzkarte für Sammler und Sachverständige, welche den Eintrag besitzen: „Für Waffen und Gegenstände jeder Art“; mit der Ergänzung, dass für bestimmte Waffentypen die Ausnahmegenehmigung des BKA erforderlich ist.

Entscheidend bleibt stets die persönliche Zuverlässigkeit des Erlaubnisinhabers mit Sachkunde und mit Bedürfnis. Dies bewirkt die erwünschte Beschränkung auf einen vertrauenswürdigen Personenkreis.

Für Museen ist zusätzlich die Erleichterung im Verwaltungsbereich erforderlich, damit auch staatliche Museen ihre gesellschaftliche Aufgabe im rechtlich überschaubaren Rahmen umfassend wahrnehmen können. Wir dürfen das Museumspersonal mit der Rechtskunde im Bereich der Waffengesetze und mit der resultierenden Verwaltungsarbeit nicht überfordern. Im Kern haben diese Mitarbeiter andere Aufgaben zu lösen.

Begründung. Setzen wir einen Markstein in der Entwicklung der Rechtsgeschichte wie der Kulturgeschichte: Die grundlegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse bedürfen oft einer längeren Reifezeit. Zunächst fällt dem Forscher etwas auf. Dann behält er es erst mal im Hinterkopf. Und – mit etwas Glück – kommt ihm dann eines Tages der größere Zusammenhang. Vor allem dann, wenn er gute Gesprächspartner findet. So erging es uns mit der Entwicklungsgeschichte und der Anordnung der Typen des Rades – wohl der bedeutendsten technischen Erfindung der Menschheit überhaupt – von der Rolle und Walze über das Scheibenrad, das Vierspeichenrad der Antike, die Sonderentwicklungen vom Parallelspeichenrad und vom Kreuzspeichenrad zwischen 1400 und 1800 zum Maximillianischen Zehnspeichenrad (siehe DWJ 2/1996, Seiten 222 ff.), und schließlich zum Zwölfspeichenrad nach 1600 einschließlich seiner Sonderformen bis heute.

So die Entdeckung der frühesten schweren Bleibüchse um 1430 in der Burg Forchtenstein, im Vergleich zum Folgemodell um 1480 im Heeresgeschichtlichen Museum Wien, (DWJ 6/1998, Seiten 928 ff.), der frühesten Steilfeuerwaffe überhaupt mit der interessanten Weiterbildung der hergebrachten Blocklafette der Steinbüchsen um 1425 in den vielen Varianten bis zum aktuellen Granatwerfer, der Entstehung und Entwicklung der Kartaunen zwischen 1450 und 1600, einer Maximillianischen Scharfmetze, um 1510 in den Zeugbüchern Maximilians überliefert.

Wie jeder Gebrauchsgegenstand, der die drei bekannten Schritte zwangsmäßig durchläuft, nämlich Aktualität zum Industriepreis, Gerümpel zum Schrottpreis und schließlich Antiquität, oft zum horrenden Liebhaberpreis, so gilt gerade dieser Verlauf auch zwingend für das gesamte Waffenwesen.

Nach den üblichen Kriegen mussten in Europa immer wieder gewaltige Mengen von den dann rasch veralteten Waffen entsorgt werden. Sie waren bis auf ihren Metallgehalt zunächst fast wertlos. Oft erschienen sie aktuell noch nicht einmal den Museen der Archivierung wert. Bis man entdeckte, dass viele Mitmenschen zwar über ihre Gefährlichkeit nachgedacht hatten, was unverändert auch für Pfeil und Bogen, Dolch, Schwert und Hellebarde gilt (wenn wir hier von den ebenso gefährlichen, tatsächlich aber oft missbrauchten Küchenmessern einmal absehen) – aber sich zu wenige darum gekümmert hatten, dass jene einst so gefährlichen Produkte auch wesentliche Schritte einer technischen Entwicklung dokumentieren, die von zentraler Bedeutung bleibt.

Ganz konkret: Das Sammeln und Archivieren längst obsoleter Kriegswaffen (alle hier genannten Gegenstände waren einmal solche „Kriegswaffen“) ist durch einen sonderbaren juristischen Mangel auch heute noch schwer behindert.

Denn obwohl das Kriegswaffenkontrollgesetz in seiner Präambel eine klare Zweckbestimmung besitzt, wird seine Durchführung bestimmt durch die Kriegswaffenliste. Und diese kennt, erstaunlich genug, bis heute kein zeitliches Limit. Das ist ein schwerwiegender juristischer Mangel mit teils gravierenden praktischen Folgen.

Der Gesetzgeber erwartet – zu Recht – dass sich der Bürger an die Gesetze hält. Nur, mit gleichem Recht darf der Bürger erwarten, dass sich der Gesetzgeber, also bei uns die Abgeordneten und in deren Gefolge alle Bediensteten des Staates, seine Beamten und Angestellten ebenso streng an das geltende Recht halten und es sinnvoll praktizieren.

Das Kriegswaffenkontrollgesetz zeichnet sich in seiner Präambel äußerst vorteilhaft gegenüber manchem anderen Gesetz durch die klare Zweckbestimmung aus.

Vor unseren Augen findet ein fundamentaler Rollentausch statt; nämlich der zwischen „Waffe“ und „Munition“. Während fast sechs Jahrhunderte lang die Waffe, also klassisch gesehen das Abschussgerät, in der Regel das Rohr, die Entwicklung, das wissenschaftliche Interesse und in der Folge die museale Archivierung und Darstellung beherrschte, rückt heute „das Geschoss“, die Munition signifikant in den Vordergrund.

Während wir also in guten Museen die Entwicklung des Militärgewehrs ebenso wie die Fortschritte in der Geschützkonstruktion in vielen interessanten Details verfolgen können, kommen die gleichzeitigen, oft ebenfalls kongenialen Fortschritte der Munition von der Steinkugel über die geschmiedete Eisenkugel bis zur gegossenen Kanonenkugel bei der Artillerie zwischen 1350 und 1850 und von der Bleikugel und dem Schießzubehör wie Pulverflasche, Zündkrautfläschchen, Lunte, Pyrit und dem Feuerstein zwischen 1400 und 1800, und gar weiter bis zu der Fülle moderner Patronen- und Geschosskonstruktionen, recht kurz weg. Dass daneben bei der Artillerie und den schon seit 1350 anhaltenden Versuchen, Hinterlader zu bauen und später Langgeschosse durch verschiedene Systeme im Drall zu stabilisieren und dass bei der Infanterie noch zahlreiche analoge Verbesserungen erfolgten, die alle zusammen eine technisch herausragende Rolle spielen, wird in unseren Museen eher mehr zufällig demonstriert. Und eine Entwicklung der modernen Munition oder „Kriegswaffen“ wie der leistungsgesteigerten oder der zielsuchenden Munition oder der entsprechenden „Lenkraketen“ erster, zweiter oder dritter Generation ist kaum in Ansätzen zu finden.

Zusammenfassung. Die Kriegswaffenliste, die in der Vergangenheit mehrfach an die militärtechnische und an die geschichtliche Entwicklung angepasst wurde, muss einer erneuten Prüfung und Korrektur unterzogen werden. Bei den bis zum Jahr 1945 in den militärischen Gebrauch übernommenen Feuerwaffen aller Kaliber kommen wir zu dem Ergebnis, dass bis auf verschwindende Ausnahmen keinerlei militärischer Gebrauch in Sinne des Kriegswaffenkontrollgesetzes mehr stattfindet. Somit sind diese Waffen auch keine Kriegswaffen im Sinne des §1 dieses Gesetzes.

Für die betrachteten Waffen bietet sich als Stichtag an der 31. Dezember 1945. Später eingeführte Kriegswaffen, die heute obsolet sind, sollten über Ausnahmeregelungen aus der Kriegswaffenliste gestrichen werden.

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