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Sachverständige kritisieren Waffengesetzentwurf bei Anhörung im Innenauschuss.

Während der laufenden Novellierung des Waffengesetzes hat das Bundesinneministerium jüngst einen Entwurf mit massiven Verschärfungen vorgestellt. In der in diesen Tagen ausgelieferten DWJ-Ausgabe 12/2019 stellen wir diese näher vor. Inzwischen haben betroffene Schützen und Jäger für einen Proteststurm bei Abgeordneten gesorgt. Inwieweit das noch zu Änderungen führen kann, wird sich zeigen. Am 11. November 2019 fand nun in Berlin eine öffentliche Anhörung des Innenausschusses im Rahmen des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens statt. Dabei ging es in erster Linie um die Auswirkungen des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs zur Änderung des Waffenrechts auf die Sportschützen und die innere Sicherheit. Wir waren bei bei der Anhörung im Innenausschuss dabei und bringen Sie hier auf den neuesten Stand.

Für den Deutschen Schützenbund trat DSB-Bundesgeschäftsführer Jörg Brokamp als Sachvertsändiger auf. Brokamp verwies zunächst unter anderem auf die Erfolge des DSB in den olympischen Disziplinen und die Rolle des 1,4 Millionen Mitglieder starken und damit viertgrößten Sportverbandes in Deutschland für das Ehrenamt und das soziale Gefüge in der Bundesrepublik. Brokamp sieht in den geplanten Änderungen einen Generalverdacht gegenüber den Schützen, der bei diesen zu Unverständnis und Politikverdrossenheit führe. Das gilt insbesondere für die Frage, was das Bedürfnis eines Sportschützen mit Terrorismus zu tun habe. Der DSB schlägt eine Bedürfnisregelung vor, nach der das Bedürfnis nach dem Erwerb der ersten Waffen nach 5 Jahren und abschließend nach 10 Jahren nochmals überprüft wird. Danach soll eine Bescheinigung eines an einen anerkannten Schießsportverband angeschlossenen Vereins ausreichen. Als Nachweis der schießsportlichen Aktivität für den Bedürfnisnachweis in den ersten 10 Jahren soll eine Ausübung des Schießsports von einmal pro Quartal oder sechsmal im Jahr erforderlich sein. Hier sei es auch akzeptabel jeweils für die erste Lang- und die erste Kurzwaffe getrennt diese sportliche Aktivität nachzuweisen.

Als Sachverständiger aus den Reihen des Bundes Deutscher Sportschützen sprach dessen Präsident Friedrich Gepperth, der auch Co-Vorsitzender des Forum Waffenrecht ist. Gepperth, dessen Verband 84000 Mitglieder hat, beklagte, dass der Entwurf trotz aller Beteuerungen seitens des Innenministeriums weit über die Forderungen der EU-Feuerwaffenrichtlinie hinaus gehe. Auch die kürzlich seitens des DSB mit Seehofer besprochene Bedürfnisregelung (s.u.) sei weiterhin eine Verschärfung, schaffe aber Rechtssicherheit. Vehement sprach sich Gepperth gegen die im Entwurf vorgesehene Magazinregelung aus, die es so in keinem andere EU-Land gebe. Als Beispiel führte er die Problematik von Kurzwaffenmagazinen, die in Langwaffen passen, an. Die derzeitige Verbotsregelung sei eine kalte Enteignung der Besitzer der sogenannten großen Magazine. Zusagen seitens des BMI, wie etwa, hier auch Blockiereinrichtungen (Magazinbegrenzer) zuzulassen, misstraue man inzwischen. Es ergäbe keinen Sinn, wenn bestimmte Magazine überall in der EU- frei zu kaufen sind und diese nur in Deutschland verboten würden. Das lasse der dem Bayerischen Sportschützenbund (BSSB) zugewandte Innenminister außer Acht. Mit der geplanten Magazinregelung träfe man insbesondere den dynamischen Schießsport, der international inzwischen mindestens die Größe des olympischen Schießsport erreicht habe und damit in Deutschland in dieser Form nicht mehr durchführbar sei. Dabei sehe die EU-Richtlinie hierfür ganz klar eine Ausnahmemöglichkeit vor, sagte Gepperth.

Auch die als Sachverständige geladen Vertreter der Sicherheitsbehörden konnten keinen wirklichen Gewinn durch das Verbot großer Magazine erkennen. Laut Sebastian Fiedler, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, bringt ein solches Verbot keinen Sicherheitsgewinn. Ebenso sieht Niels Heinrich von der Polizei Hamburg und Mitverantwortlicher beim Aufbau des Nationalen Waffenregisters hier keinen Sicherheitsgewinn, da Magazine extrem schnell gewechselt werden könnten. Nachdem Fiedler, der auch im Vorstand von Transparency International Deutschland sitzt, die mangelnde Transparenz bei der Beiteiligung der Interessenverbände, die seiner Meinung nach mehr Einfluss als die Sicherheitsbehörden an der Waffenrechtsrechtnovelle hätten nehmen können, moniert hatte, wies er darauf hin, dass das Waffenrecht analog dem Deutschen Steuerrecht immer komplizierter werde. Laut Fiedler besteht die Gefahr, dass sowohl die Betroffen als die Behörden dabei den Überblick verlieren könnten. Daher seien klare Regelungen für den legalenWaffenmarkt und eine bessere Qualifikation zur Prävention und für das Vorgehen gegen den illegalen Markt nötig. Bislang würden die Qualifikation und die Quantität des Personals hier völlig außer Acht gelassen. Darüber hinaus sprach sich Fiedler für die Regelabfrage im Rahmen einer Waffenerlaubniserteilung aus.

Damit keine Waffen in die Hände von Kriminellen und Extremisten gelangen forderte NWR-Mitschöpfer Heinrich, auch eine Zuverlässigkeitsüberprüfung von Angestellten und Mitarbeitern bei Waffenherstellern und Waffenhändlern einzuführen. Im dem derzeit im Entwurf vorgesehenen Überwachungsmodus fielen zudem die Inhaber eines Jagdscheins, die noch keine WBK besäßen, aber damit dennoch Langwaffen und Munition erwerben könnten, und auch die Inhaber einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis durchs Raster. Dem könne durch die Aufnahme der Daten ins NWR begegnet werden

Als Sachverständiger in Sachen Rechtsterrorismus war Andreas Speit, Autor, Journalist und Rechtsterrorismusexperte (u.a. freier Mitarbeiter der TAZ und Referent der Friedrich Ebert Stiftung) geladen. Speit sieht konkrete Zusammenhänge zwischen Rechtsterroristen und Schützenvereinen. Die militanten Rechtsextremisten nutzten unter anderem Schützenvereine und Bundeswehr dazu, sich an Waffen ausbilden zu lassen. Zudem bestehe in der rechten Szene ein starkes Interesse an industriell produzierten Waffen, da selbst gebaute Waffen, wie auch der Anschlag von Halle letztendlich belege, zu unzuverlässig seien. Um an Waffen heranzukommen, baue die rechte Szene daher Kontakte zu Schießsportvereinen wie auch zu Polizei und Bundeswehr auf. Bei der Regelabfrage beim Verfassungsschutz gehe es nicht „um einen Generalverdacht, sondern um eine generelle Kontrolle“, führte Speith aus. Dafür müsse auch der Begriff der Zuverlässigkeit für Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis klarer definiert werden. Personen, über die Erkenntnisse zu ihrer Verfassungsfeindlichkeit vorliegen, müssten laut Speit grundsätzlich als nicht zuverlässig gelten.


Die im Vorstand der German Rifle Association engagierte Waffenrechtsexpertin Katja Triebel sieht die Regelabfrage beim Verfassungsschutz dagegen als eine Placebo-Maßnahme, die zu zunehmender Politikverdrossenheit führe. Auch Triebel äußerte sich äußerst kritisch gegenüber den weit über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinausgehenden Verschärfungen im Regierungsentwurf. Überhaupt verfehle die EU-Richtlinie ihr ursprüngliches Ziel, die Terrorabwehr, mit Ausnahme des Schließens der Schlupflöcher bei leicht reaktivierbaren unbrauchbar gemachten Schusswaffen wie etwa der slowakischen Salut- und Dekowaffen. Seitens der EU gebe es auch keine Forderung den Neuerwerb großer Magazine zu verbieten, das gebe die Richtlinie nicht her. Es reiche hier aus, sicherzustellen, dass nur berechtigte Personen die Magazine kaufen dürfen, unterstrich Triebel.

Nicht begeistert zeigte sich übrigens der für die SPD im Innenaussschuss sitzende Bundestagsabgeordnete Helge Lindh (SPD) von den Zusagen, die Bundesinnenminister Seehofer am 6. November 2019 bei einem kurzfristigen Treffen von ihm und dem Bayerischen Innenminister Joachim Hermann mit Vertretern des DSB und des BSSB (siehe hier) gemacht hatte. Lindh verwies darauf, dass die Gesetze vom Parlament und nicht vom Minister gemacht werden.

So könnte es weiter gehen – eine Einschätzung des DWJ:
Es ist durchaus möglich, dass das neue Waffengesetz jetzt sehr kurzfristig im Bundestag zur 2. und 3. Lesung, die unmittelbar nacheinander erfolgen können, auf die Tagesordnung gesetzt und verabschiedet wird und dann bereits Anfang des Jahres 2020 in Kraft tritt. Welche Änderungen innerhalb der Ausschussarbeit jetzt noch vorgenommen werden, ist nicht abzusehen. Sollten keine Änderungen im Bereich der Bedürfnisprüfung mehr vorgenommen werden, wird dies allen Schießsportverbänden massive Probleme bereiten, da die Schießstandkapazitäten einfach nicht ausreichen, um den Andrang der Schützen, die ihrer Verpflichtung zum Nachweis ihrer schießsportliche Aktivität mit jeder einzelnen Waffe, die sie noch keine 10 Jahre im Besitz haben, nachkommen müssen. Für den dynamischen Schießsport bedeutet ein Festhalten an der geplanten Magazinregelung, dass man sich von der in den letzten Jahrzehnten international immer weiter gewachsenen Wettkampfbühne als einziger von der EU-Feuerwaffenrichtlinie betroffener nationaler Sportverband verabschieden muss und überdies auch keine neuen Mitglieder mehr in diesem Bereich gewinnen kann. Damit würde der Gesetzgeber nicht nur massiv, sondern in diesem Falle sogar destruktiv zuungunsten einer Sportart in die Autonomie des Sports eingreifen. Und das, obwohl selbst die Vertreter der Sicherheitsbehörden in einem Magazinverbot keinen Gewinn für die Sicherheit erkennen können.

Mit dem Vorschlag, nun auch die bloßen Jagdscheininhaber und die Inhaber einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis mittels des Nationalen Waffenregisters zu überwachen, soll die „Datenkrake“ NWR nun zusätzlich gefüttert werden. Letztendlich bekommt man mit der Erfassung der „Pulverscheine“ auch die aktiven Vorderladerschützen, die lediglich über erlaubnisfreie Waffen verfügen, mit ins System, wobei hier völlig außer Acht gelassen wird, dass es sich hier um eine Erlaubnis nach dem Sprengstoffgesetz und nicht nach dem Waffengesetz handelt, also zwei verschiedene Gesetze mal eben willkürlich miteinander vermischt werden sollen.

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