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von Franz Keck

Krieg in Europa

Nein, es geht nicht um den Ukrainekrieg, sondern um einen anderen Krieg in Europa: Den Bosnienkrieg. Er begann Anfang April 1992, also vor 30 Jahren und schockierte die Welt ganz zurecht.

Anders als Francis Fukuyama 1989 schrieb, endete mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa nicht die Geschichte. Genauer gesagt wurde durch das Ende des Kommunismus ein ganz neues Kapitel der Geschichte mit ganz neuen Konflikten aufgeschlagen, das der Konflikte im postsowjetischen Raum.

Der erste und bisher blutigste dieser Konflikte brach direkt nach dem Zerfall der Sowjetunion in Jugoslawien aus. Der Vielvölkerstaat am Mittelmeer, in direkter Nachbarschaf zu Österreich und zwischen den NATO-Staaten Italien und Griechenland gelegen, wurde lange durch ein ausgeklügeltes Repräsentationssystem, die Führerfigur Tito und den Kommunismus gerade so zusammengehalten. Mit dem Zerfall der Sowjetunion rührten sich also Bestrebungen der diversen Ethnien nach nationaler Unabhängigkeit.

Der erste Krieg in Jugoslawien war der 10-Tage- oder auch Slowenienkrieg vom 26. Juni bis zum 7. Juli 1991. Slowenien hatte am 25. Juni ihre Unabhängigkeit erklärt, woraufhin die Jugoslawische Regierung dies mit militärischen Mitteln zu verhindern suchte, woran sie jedoch scheiterte.

Es folgte der Kroatienkrieg vom 31. März 1991 bis 7. August 1995. Dieser war ein Bürgerkrieg zwischen Kroaten und kroatischen Serben, ausgelöst durch die Unabhängigkeitsbestrebungen Kroatiens unter Franjo Tudman, wobei die kroatischen Serben durch Serbien unter Führung von Slobodan Miloševi? sowohl mit Material, als auch durch Serbische Kampftruppen unterstützt wurden. Er endete nach dem erfolg der Kroaten in der Operation Oluja mit dem Abkommen von Erdut am 12. November 1995.

Wenn es schon in Kroatien, wo es nur zwei Ethnien gibt, zu ethnischen Konflikten kam, konnte es in Bosnien und Herzegowina, dem multiethnischsten Land au dem Balkan, nur noch schlimmer kommen. Bei einer von den bosnischen Serben großteils boykottierten Volksabstimmung am 29. Februar 1992 stimmten 99,4 %, bei einer Wahlbeteiligung von 63 %, für staatliche Souveränität. Nach dem Austritt der Republik Bosnien und Herzegowina aus dem jugoslawischen Staatsverband am 2. März 1992 wurde sie international anerkannt. Allerdings gründeten die serbischen Bosnier in ihren Gebieten die Serbische Republik Bosnien und Herzegowina, den Vorgänger der heutigen Republika Srpska. Nach der Anerkennung der Republik Bosnien und Herzegowina durch die EU und die USA am 6. und 7. April 1992 begann ein bis zum 21. November 1995, als der Vertrag von Dayton geschlossen wurde, andauernder Krieg zwischen der Bosnischen Armee, der serbischen Armee, dem Kroatischen Verteidigungsrat UN-Blauhelmen und später auch der NATO. Der Krieg war gekennzeichnet von Kriegsverbrechen wie Misshandlung Gefangener, ethnischen Säuberungen sowie Massenvergewaltigungen und forderte insgesamt etwa 100 000 Todesopfer. Alle Kriegsparteien handelten verbrecherisch, mit Abstand am brutalsten waren jedoch die Serben.

Der krieg begann damit, dass folgend auf die internationale Anerkennung Bosniens die Truppen der Jugoslawischen Armee nicht abrückten, woraufhin sie von der Bosnischen Staatsführung zu Besatzungstruppen erklärt wurden. Es folgte eine Eskalation von Gefechten zwischen bosnischen Serben und der Jugoslawischen Volksarmee auf der einen und der bosnischen Miliz aus Kroaten sowie Bosniaken( Muslimischen Bosniern) auf der anderen Seite. Am 5. April begann die erst 1996 durch das Eingreifen des Westens beendete Belagerung von Sarajewo. Diese längste Belagerung des 20. Jahrhunderts war geprägt von 11 000 Toten, darunter viele Zivilisten, auf Zivilisten feuernde Heckenschützen und Artilleriebeschuss der Stadt. Umkämpft wurden vor allem Gebiete ohne klare Bevölkerungsmehrheit einer Ethnie.

Die bosnischen Serben besetzten während der ersten Monate etwa 70 Prozent des Landes, was an besserer Bewaffnung und Organisation lag. Hierbei wurde auch versucht, die nichtserbische Bevölkerung zu vertreiben, die ersten ethnischen Säuberungen fanden auf beiden Seiten statt und Internierungslager wurden eingerichtet. In den serbischen Lagern kam es schon 1992 zu Massenmorden.

Anfang 1993 kam es in Genf zu ersten Friedensgesprächen, doch Uneinigkeiten über die Grenzziehungen der als Nachkriegsordnung geplanten nach Ethnien getrennten Kantonsstruktur behinderten die Gespräche. Endgültig scheiterten die Gespräche, nachdem der stellvertretende bosnische Premierminister Hakija Turajli? von Serben erschossen wurde, während er sich unter dem Schutz französischer Blauhelme befand, die ihn nicht verteidigten.

Das Kriegsjahr 1993 war auch gekennzeichnet von Geländegewinnen der Kroaten, dem Abwurf von -hilfsgütern durch US-Air Force und Bundesluftwaffe-Maschinen, die Verhängung und Durchsetzung einer Flugverbotszone, dem Beginn von Ermittlungen aufgrund von Kriegsverbrechen, und die Erklärung der Gegend von Srebrenica zur UN-Schutzzone. Weiterhin beschloss die NATO in Zukunft auch Luftangriffe zu fliegen und die Bündnisse zwischen den Ethnien wechselten, lediglich Serben und Bosniaken waren nie verbündet.

1994 schossen amerikanische F-16 auch erstmals Flugzeuge ab und griff Bodenziele an, es kam auch vermehrt zu Feuergefechten mit und angriffen auf Blauhelmsoldaten. Kroatien und Bosnien Versuchten ihre internen Uneinigkeiten beizulegen.

1995 war gekennzeichnet durch eine weitere Eskalation, den Diebstahl schwerer Waffen aus Beständen der UN-Truppen und schließlich das Massaker von Srebrenica, wo Truppen der Republika Srpska, Polizei und serbische Milizen unter Führung von Ratko Mladi? vom 11. bis zum 19. Juli 1995 über 8000 Bosniaken ermordeten. Weiterhin zeugt der Genozid in Srebrenica von der Untauglichkeit des Blauhelm-Konzepts. Unzureichend ausgestattet, ohne Luftunterstützung und ohne Kampfauftrag wurde die Schutzzone Srebrenica von ihren Bewachern, niederländischen Blauhelmen, kampflos aufgegeben.

Aufgrund zunehmenden öffentlichen Drucks griff schließlich die US-Regierung unter Bill Clinton ein und brache die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch. Dies führte Ende 1995 zum Dayton-Vertrag, unterzeichnet am 14. Dezember 1995 in Paris. Der Dayton-Vertrag schreibt fest, dass der Staat Bosnien und Herzegowina aus den beiden Teilstaaten Föderation Bosnien und Herzegowina und Republika Srpska besteht. Um diese Ordnung zu sichern, wurde internationale militärische und zivile Kontrolle des Landes vereinbart. Bis heute sind EUFOR-Truppen im Rahmen von Operation Althea in Bosnien im Einsatz.

Bild: Mikhail Evstafiev CC BY-SA 2.5

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