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von Franz Keck

Hinterhalt bei Isa Khel

Am Karfreitag 2010 kam es beim kleinen Dorf Isa Khel in Nordafghanistan zum verlustreichsten Gefecht in der Geschichte des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Dieser als Karfreitagsgefecht bekannte neunstündige Zusammenstoß jährt sich am Karfreitag 2021, dem 2. April 2021, nicht nur zum elften mal, auch war der Karfreitag 2010 ebenfalls ein 2. April.

Mit dem Hauptgefreiten Sergej Motz hatte Deutschland am 29. April 2009 seinen ersten Gefallenen im engeren Sinne, sprich direkt auf dem Schlachtfeld infolge von Feindeinwirkung verstorbenen Kombattanten, seit dem Zweiten Weltkrieg zu beklagen. Obwohl der Öffentlichkeit schon spätestens hierdurch hätte klar werden müssen, dass in Afghanistan Krieg herrscht, geschah dies erst infolge des Karfreitagsgefechts. Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg brach damals ein Tabu, als er Afghanistan als "Krieg" bezeichnete. Deswegen geniest er, auch ungeachtet diverser kurzsichtiger Entscheidungen in seiner Amtszeit, bis heute unter Soldaten ein hohes Ansehen.

An diesem schicksalsträchtigen Tag vor elf Jahren waren 34 Soldaten des Fallschirmjägerbataillons 373 aus Seedorf in geschützten Fahrzeugen vom Typ Dingo ausgerückt, um Sprengfallen aufzuklären und zu beseitigen. Als eine zur Unterstützung eingesetzte Drohne abstürzt und vier Soldaten sie in einem Getreidefeld Suchen müssen schnappt um etwa 13 Uhr Ortszeit die Falle zu.

Rund 30 bis 40 Aufständische hatten rings um den Ort Isa Khel Stellung bezogen und nahmen die Fallschirmjäger nun aus mehreren Richtungen unter massiven Beschuss mit Handfeuerwaffen und RPGs. Schon kurz nach Beginn des Gefechts erlitt Oberfeldwebel Naef Adebahr, der Führer des exponiert im Feld stehenden Suchtrupps, mehrere Treffer ins Bein. Bald waren noch zwei weitere Soldaten verwundet, unter ihnen der später seinem Oberkörpertreffer erlegene Stabsgefreite Robert Hartert. Auf Anforderung des Kompaniechefs wurden die Panzergrenadiere der QRF (Schnelle Einsatzreserve) mit SPz Marder aus dem Feldlager Kundus in Marsch gesetzt und amerikanische F-16 führten Tiefflüge zur Abschreckung durch. Wegen der Gefahr von Friendly Fire konnten sie jedoch nicht wirken.

Gegen 14:50 Uhr fuhr ein Dingo beim Versuch, sich vom Feind zu lösen, auf eine IED, wobei mehrere Soldaten verwundet wurden, unter ihnen die infolge dessen verschiedenen Fallschirmjäger Hauptfeldwebel Nils Bruns und Hauptgefreiter Martin Augustyniak. Ausweichen war nun nicht mehr Möglich, da der Weg durch das Wrack des Fahrzeugs und einen Krater versperrt war. Gleichzeitig wurde auch as Feindfeuer stärker. Zur Unterstützung der Fallschirmjäger war inzwischen die QRF vor Ort und amerikanische Blackhawks bekämpften den Gegner mit Maschinenwaffen aus der Luft. Auch ein zweiter Ausbruchversuch gegen 16:30 Uhr scheiterte, erst mit Einbruch der Dunkelheit ebbten die Kampfhandlungen ab. Im weiteren Verlauf des Gefechtes gab es vier weitere Verwundete zu beklagen.

Als sehr schwierig erwies sich aufgrund des andauernden hochintensiven Gefechts die Versorgung der Verwundeten. Oberstabsarzt Ulrike Hödel und Hauptfeldwebel Gerhard Haben versorgten unter heftigem Feindfeuer in der Kampfzone ihre verwundete Kameraden. Danach wurden die verwundeten deutschen Soldaten von amerikanischen Blackhawks unter Beschuss aufgenommen und ausgeflogen.

Mario Kunert, Philipp Pordzik, Ralf Rönckendorf, Maik Mutschke, Robert Hartert und Martin Augustyniak wurden führ ihren Einsatz an diesem Tag mit dem Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit ausgezeichnet. Aufgrund ihrer herausragenden Leistungen erhielten Nils Bruns und die Sanitäter Ulrike Hödel und Gerhard Haben das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold in besonderer Ausführung, ebenso die vierzehn an der Rettung der Verwundeten beteiligten amerikanischen Soldaten.

Das Karfreitagsgefecht stellte gewissermaßen den Auftakt zur für die Bundeswehr heißesten Phase des Afghanistaneinsatzes dar: In den Jahren 2010 und 2011 hatte die Bundeswehr ihre höchsten Verluste zu beklagen und mehr sowie intensivere Gefechte als je zuvor zu schlagen. Ins kollektive Gedächtnis eingebrannt haben sich etwa der 15. April 2010, als vier Soldaten durch IEDs und Beschuss mit schweren Waffen starben oder der 18. Februar 2011, als ein zum Feind übergelaufener Soldat der Afghanischen Armee innerhalb des Außenpostens OP North das Feuer auf eine Gruppe mit der Wartung ihres SPz Marder beschäftigten Panzergrenadiere eröffnete, was zu drei Toten und mehreren Verwundeten führte.

Weiterhin hatte das Karfreitagsgefecht zum Resultat dass mehr Schützenpanzer an den Hindukusch verlegt wurden und, folgend der Verlegung einer Panzerhaubize 2000 nach Afghanistan, es am 10. Juli 2010 bei einem Gefecht im Distrikt Char Darah zum ersten Artillerieeinsatz in der Geschichte der Bundeswehr kam.

Bild: ISAF Headquarters Public Affairs Office CC BY 2.0

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