Sicherheit

Von der Leyen schießt das G36 ab

Die Ergebnisse der beiden erst vor wenigen Tagen einberufenen Untersuchungs-Kommissionen zur Problematik rund um das Sturmgewehr der Bundeswehr, dem G36, wollte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen anscheinend nicht abwarten: Heute kündigte sie in der vertraulichen Sitzung des Fachausschusses im Bundestag die Ausmusterung der Waffe von Heckler & Koch an.

Rund 176.000 Gewehre müssen nun quasi sofort ausgetauscht werden. Ins Kritik geraten war das G36 wiederholt wegen angeblicher Präzisionsmängel in heiß geschossenen Zustand. Ob diese durch unsachgemäßen Gebrauch der Waffe oder durch tatsächlich technische Defizite hervorgerufen wurden, darüber haben sich in den vergangenen Jahren mehrere Untersuchungen gedreht. War das Gewehr durch die Bundeswehr erst im Februar 2014 bereits rehabilitiert worden, nachdem man eine mangelhafte Munition als „Sündenbock“ ausgemacht hatte, gingen die Spekulationen und Untersuchungen weiter. Man gewinnt den Eindruck, dass mittlerweile so lange „herum untersucht“ wurde, bis unbekannte Kreise von Interessenten jetzt endlich das gewünschte Ergebnis auf den Tisch haben. Der Hersteller hatte erst vor wenigen Tagen rechtliche Schritte gegen die „Kampagne“ angekündigt und konkret von zwei Personen aus dem Umkreis der Wehrtechnischen Dienststelle der Bundeswehr genannt, die gegen das G36 schießen. Gleichwohl ist die Rolle des Bundesrechnungshofes, der ebenfalls sich in die Untersuchungen einschaltet, ungewiss.


Heckler & Koch betonen zudem, zu keinem Zeitpunkt in die Diskussionen rund um ihr Produkt mit eingebunden worden zu sein. In Oberndorf am Neckar beruft man sich darauf, das Gewehr stets nach der Technischen Richtlinie der Bundeswehr gefertigt zu haben, die Mitte der 1990er-Jahre für das G36 erlassen worden war. In diesem Zusammenhang ist es fraglich, wieso die Bundeswehr diese Bedingungen nicht den seit wenigen Jahren geänderten Anforderungen an das Sturmgewehr angepasst hat und HK auftrug, entsprechend zu reagieren. Mitte der 1990er dachte noch niemand an einen Kriegseinsatz in Afghanistan, bis vor wenigen Jahren wurde das Wort „Krieg“ mit dem Einsatz noch gar nicht von von der Leyens Vorgängern in den Mund genommen.

Durch welche Waffe das G36 ersetzt werden soll, das ist noch völlig unklar. Zahlreiche Medien spekulieren jetzt schon über potenzielle Nachfolger, die sogar das HK 416 ins Spiel bringen. Dass eine Patrouille in Afghanistan beispielsweise immer mit einem Waffenmix los geschickt wird, in dem neben dem G36 auch ein MG oder ein Scharfschützengewehr stecken – diesen Fakt ignorieren die meisten Medien. Was das Aus für das G36 für HK und deren rund 700 Mitarbeiter bedeutet ebenso.

Zwei Fakten stehen aber fest:
- Ursula von der Leyen hat sich ein weiteres lästiges Thema mit der Ausrüstung ihres Ressorts vom Hals geschafft. Und bringt sich damit aus dem Schussfeld. Ähnlich wie der Streuung, die man dem G36 andichtet, prasseln die Kugeln jetzt auf ihren Vorgänger de Maiziére. Ein möglicher Gegenkandidat für die Nachfolge Angela Merkels ist ausgeschaltet.
- Hatte die Bundesregierung 2011 nach Fukushima aus Wahl-Kalkül plötzlich den Ausstieg vom Atomausstieg rückgängig gemacht und in Kauf genommen, dass zugunsten potenzieller Wählerstimmen Milliarden an Schadensersatzforderungen seitens der Energie-Riesen auf den Staat und damit auf den Steuerzahler zukommen, kann man der Verteidigungsministerin nun ähnliches unterstellen: HK wird die Verschmähung eines formgerecht gelieferten Gewehres, das fast 20 Jahre akzeptiert war und internationale Reputation genießt, nicht einfach so hinnehmen.

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