Sicherheit

von querformat – Die Werbeagentur

„Doorgunner“ – Routine lassen sie nicht zu

Umgangssprachlich gerne als „Gunni“ bezeichnet, setzt der Job des „Doorgunners“ oder Bordschützen - im Fachjargon Bordsicherungssoldat Taktische Operationen - eine umfangreiche Ausbildung voraus, um die Sicherheit des Transporthubschraubers CH-53 im Einsatzland Afghanistan zu gewährleisten.

Die aus zwei schweren Hubschraubern CH-53 bestehende Formation mit dem Rufzeichen „Nazgul 63“ steigt wie üblich zu einem einstündigen Routineflug von Flugplatz Mazar-e Sharif nach Kunduz auf. Heute sind ein hochrangiger afghanischer Politiker und die lang ersehnte Post für das deutsche Camp in der Unruheprovinz Kunduz an Bord. In einer Staubwolke drehen die beiden schweren Helikopter schließlich ab – Richtung Wüste.

Lange ist auf der Route gen Kunduz nichts passiert. Die Formation überquert weite Wüsten und Gebirgsformationen, bis sie sich nach einiger Zeit einem bewaldeten Tal nähert. Dem Gelände angepasst fliegt der Hubschrauber mit fast 200 Stundenkilometern im Tiefflug in nur 8 Meter Höhe über die Baumwipfel. Der Pilot sichtet im Tiefflug ein Fahrzeug mit offener Ladefläche, und meldet über die interne Sprechfunkanlage an die Bordschützen, dass sich Personen auf dem Pickup befinden. Jetzt ist höchste Konzentration gefragt. Mit einem Ausweichmanöver fliegt der Pilot links am Pickup vorbei, der rechte Bordschütze übernimmt jetzt die Beobachtung und hat dabei sein schweres Maschinengewehr für eine eventuelle Verteidigung in Anschlag gebracht. Dabei beobachtet er genau, ob die Personen Gegenstände in Form von Waffen in Richtung Hubschrauber ausrichten. Aufgrund der schnellen Flugmanöver verschwinden die Personen bald aus seinem Sichtfeld – nun übernimmt der „Gunni“ auf der Laderampe die Beobachtung nach hinten. Der Pilot fliegt währenddessen den Hubschrauber schnell aus dem Gefahrenbereich heraus, indem er verschiedene Flugmanöver ausübt. Dadurch soll es den Aufständischen erschwert werden, einen gezielten Schuß auf den Hubschrauber anzusetzen.
Dieses Mal wurde nicht geschossen - das war aber auch schon anders: „So eine Situation kann uns jederzeit begegnen. Und dafür üben wir regelmäßig diese und andere mögliche Szenarien“, erklärt Gruppenführer Hauptfeldwebel Jürgen H. diesen Einsatzflug.

„Es darf sich von Anfang an auf den Flügen keine Routine einschleichen, denn die kann Leben kosten“, weiß der 30-jährige aus Erfahrung zu berichten. Unter anderem - um diese gefährliche Routine gar nicht erst aufkommen zu lassen - müssen sich die Bordschützen einer ständigen Ausbildung auch im Einsatz unterziehen, zumal auch so manche Ausbildungselemente in der Heimatausbildung aufgrund ziviler Ballungsräume und mangelnder militärischer Übungsräume nur eingeschränkt geübt werden können. Immerhin: Aus den in Afghanistan gemachten Erfahrungen werden Verfahrensabläufe entwickelt, die sowohl in die Ausbildung im Einsatzland einfließen, als auch im Ausbildungszentrum der Heeresfliegerwaffenschule in Bückeburg und den Transporthubschrauberregimentern Laupheim und Rheine für die Ausbildung angehender Bordschützen genutzt werden.

Die umfangreiche Ausbildung beginnt für die jungen Soldaten unter Federführung der Heeresfliegerwaffenschule im niedersächsischen Bückeburg. Vorher haben sie sich für vier bis acht Jahre als Zeitsoldat in der Laufbahngruppe der Mannschaften verpflichtet. Ihre erste Hürde müssen sie mit der Untersuchung beim Fliegerarzt am Heimatstandort nehmen. Erst wenn sie körperlich fit sind, attestiert ihnen der Arzt die Wehrfliegerverwendungsfähigkeit. Dass der Körper während des Fluges unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt wird, muss auch den zukünftigen Soldaten an Bord der CH-53 klar werden: Am flugmedizinischen Institut der Luftwaffe in Königsbrück werden ihnen die flugphysiologischen Grundlagen in der Theorie und Praxis vermittelt. In der Druckkammer erleben sie zum ersten Mal die Belastungen in unterschiedlichen Flughöhen und lernen damit situationsgerecht umzugehen. In speziell ausgerichteten Trainingsabschnitten, wie beispielsweise einer Rückenschule, erfahren die angehenden Bordschützen, wie sie nach anstrengenden Einsätzen körperlich regenerieren und auch seelischen Stress abbauen können.

Um Bedrohungen durch Beschuss von Handfeuerwaffen abzuwehren, absolvieren die Soldaten die Ausbildung auf dem Bordschützenlehrgang in Rheine oder Laupheim am Maschinengewehr 3 (MG3), sowie am neuen, schweren Maschinengewehr M3M mit einem Kaliber von 12,7 Millimetern. Zunächst stehen dabei Schießübungen in einem Schießsimulator auf dem Dienstplan, gefolgt von Schießpraxis auf dem Standortübungsplatz. Erst dann erfolgt ein mehrtägiger Übungsplatzaufenthalt, um den ersten scharfen Schuss aus einer CH-53 abzufeuern.
Zur Eingewöhnung dieser völlig neuen Situation wird der Hubschrauberpilot den schweren Helikopter möglichst ruhig in der Luft halten. Ist der Bordschütze sicher in der Handhabung, geht der Pilot über in den Schwebeflug...
Geschossen wird auf den Truppenübungsplätzen Oberlausitz/Sachsen und Baumholder/Rheinland-Pfalz auf feststehende, fahrzeuggroße Holzscheiben.
Mit der Teilnahme am „Überlebenslehrgang Land und Gebirge“ schließt der Soldat eine umfangreiche und überlebenswichtige Ausbildung ab. Hat der Soldat alle Hürden genommen, darf er sich mit Recht „Bordschütze“ nennen.

Im Einsatz angekommen, erstreckt sich das Aufgabenspektrum des Bordschützen über die gesamte Maschine. Hier ist er ein wichtiger Teil der Besatzung, der zunächst für die Vor- und Nachbereitung der Bewaffnung zuständig ist. Bevor die „Nazguls“ zu ihrer Mission aufbrechen, müssen die Waffen aufmunitioniert werden und zusätzliche Handwaffen, G 36 und MG 3, für eine Außenlandung sicher verstaut werden. „Bei einer ungeplanten Landung können wir die fest montierten Bordwaffen nicht mitnehmen, dafür nehmen wir die Handwaffen zur Sicherung des Hubschraubers“, erklärt Jürgen H..
Zur Abwehr von Lenkflugkörpern müssen zusätzlich Chaff- und Flare-Magazine bestückt werden, die bei einem Beschuss automatisch auslösen und ein Wärmebild in sicherer Entfernung zum Hubschrauber erzeugen. Außerdem müssen neben dem Gepäck von Passagieren und ebendiesen selbst Notrucksäcke für Notfälle verstaut werden: Zusätzliche Aufgaben für den Bordschützen.
Besonders in der Start- und Landephase muss der Doorgunner aufmerksam sein. In dieser Phase besteht die größte Gefahr eines Beschusses – mit ein Grund, warum die Hubschrauber häufig zu zweit abrücken und sich dabei gegenseitig schützen.
Während des Einsatzfluges suchen die Bordschützen das vorbeiziehende Gelände ab - fest stehend an den vorderen Luken oder sitzend auf der Rampe. Der Soldat hinten auf der Rampe hat mit 180 Grad Sichtfeld den größten Bereich abzudecken.

Wenn die Hubschrauber zum Transport oder zur Versorgung von Verletzten und Verwundeten als Medevac (Medical evacuation/Luftrettung) ausrücken, kommen auf die Bordschützen eventuell weitere wichtige Aufgaben zu: Sie sind dafür verantwortlich, die betroffenen Personen sicher auf Tragen im Hubschrauber unterzubringen und dabei auch schon mal „den Infusionsbeutel zu halten“.
Während des Fluges sind sie dann wieder für die Außensicherung verantwortlich. Piloten und Bordtechniker können sich dann wieder konzentriert dem nicht ungefährlichen Flug über afghanischem Gebiet zuwenden, wissend, dass sie sich auf ihre „Gunnies“ verlassen können.

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