Geschichten

von Markus Dierolf

Verlustreiche Weserübung

Fast zeitgleich machten sich deutsche und alliierte Verbände Anfang April des Jahres 1940 auf den Weg nach Skandinavien. Während deutsche Verbände Dänemark fast widerstandslos besetzten, sollte es in Norwegen, vor allem bei Narvik in Nordnorwegen, zu schweren Kämpfen kommen.

In der Nacht zum 7. April 1940 liefen die 14 Zerstörer und der Schwere Kreuzer Admiral Hipper von Bremerhaven und Cuxhaven aus, um unter dem Schutz der Schlachtschiffe Scharnhorst und Gneisenau (Vizeadmiral Günther Lütjens) nach Norwegen zu gelangen. Es waren die ersten Schiffe eines groß angelegten Landeunternehmens in Norwegen und Dänemark. Die zehn Zerstörer der Kriegsschiffgruppe 1 (Kapitän und Kommodore Friedrich Bonte) mit 2000 Gebirgsjägern des Gebirgsjäger-Regiments 139 unter dem Kommandeur der 3. Gebirgsdivi­sion, Generalleutnant Eduard Dietl, und Marinespezialisten an Bord, sollten in dem nordnorwegischen Erzhafen Narvik anlanden, die vier Zerstörer und der Schwere Kreuzer Admiral Hipper der Kriegsschiffgruppe 2 (Kapitän Hellmuth Heye) mit 700 Gebirgsjägern des Gebirgs-Jäger-Regimentes 138 (3. GD) und weiteren Kräften an Bord im mittelnorwegischen Trondheim. Das Unternehmen „Weserübung“, die Besetzung Norwegens und Dänemarks, hatte begonnen.


Unternehmen Weserübung. Die Bedeutung des skandinavischen Raumes hatte sich für die europäischen Großmächte bereits vor Beginn des Zweiten Weltkrieges, spätestens aber mit dem sowjetischen Überfall auf das seit 1917 unabhängige Finnland am 30. November 1939 herauskristallisiert, und die Frage nach der Aufrechterhaltung der norwegischen Neu­tralität kompliziert.


Der sowjetische Angriff bewog Großbritannien und Frankreich über die Entsendung eines Hilfskorps nachzudenken, das über Nordnorwegen und Schweden nach Finnland marschieren könnte, verbunden mit der Schaffung einer möglichen neuen Operationsbasis.


Auf deutscher Seite befürchtete man gerade dies, lief doch die für Deutschland lebenswichtige Erzzufuhr aus Schweden – etwa 75?% des Bedarfs – hauptsächlich über den ganzjährig eisfreien Hafen Narvik. Genau diese wollte der britische Premierminister Winston Churchill im Dezember 1939 durch Verminung der norwegischen Hoheitsgewässer und Besetzung der Städte Bergen und Narvik unterbinden. Das Parlament genehmigte allerdings nur die Planung einer Landung in Narvik zur Unterstützung Finnlands.


Die Furcht vor einer alliierten Landung, aber auch die Aussicht auf Operationsbasen im Norden, führten dazu, eine Landung im skandinavischen Raum vorzubereiten. Mit der Planung des Unternehmens Weserübung wurde der Kommandierende General des XXI. Armeekorps, General der Infanterie Nikolaus von Falkenhorst, von Hitler beauftragt und der Sonderstab Gruppe XXI gebildet, der am 26. Februar 1940 mit der Arbeit begann.
Das Kernstück der operativen Idee bestand aus der Forderung, Truppen mit Schiffen und Flugzeugen an sieben Landeplätzen in Dänemark (Weserübung Süd) und Norwegen (Weserübung Nord) überfallartig am Wesertag (9. April) zur Weserzeit (5.15 Uhr) gleichzeitig anzulanden. Eine Inbesitznahme Dänemarks wurde als notwendig erachtet, um als Versorgungsplattform zu dienen.

tl_files/bilder/magazin/geschichten/2012/2012-05-08_NO2.jpg
Einsatzvorbereitung. Deutsche Sturzkampfbomber vom Typ Junkers Ju-87 werden im April 1940 auf einem norwegischen Feldflugplatz für ihren Einsatz vorbereitet.


Narvik, Trondheim, Bergen, Kristiansand, Egersund, Aarendal und Oslo waren als Landeplätze der sechs Kriegsschiffgruppen, bestehend aus Zerstörern, Kreuzern und weiteren Begleitschiffen für das Unternehmen Weserübung Nord vorgesehen. Den Hauptverband bildeten fünf Kriegsschiffgruppen mit der Gruppe 1 für Narvik, der Gruppe 2 für Trondheim, der Gruppe 3 (Kreuzer Köln und Königsberg) für Bergen, der Gruppe 4 (Kreuzer Karlsruhe) für Kristiansand und Aarendal und die Gruppe 5 (Schwerer Kreuzer Blücher, Panzerschiff Lützow, Leichter Kreuzer Emden) für Oslo. Für Egersund war die aus vier Minensuchbooten bestehende Kriegsschiffgruppe 6 vorgesehen. Stavanger sollte von der 3. Kompanie/Fallschirmjägerregiment 1 (Fjg-Rgt 1), der Flugplatz Oslo-Fornebu von der 2. Kompanie genommen werden. Bereits einige Tage vor den Kriegsschiffgruppen sollten langsamere Fracht- und Versorgungsschiffe (Ausfuhrstaffel) auslaufen, um schweres Gerät, Munition und andere Versorgungsgüter zeitgleich mit den Truppen der ersten Welle in Narvik, Trondheim und Stavanger anzulanden, gefolgt von Transportschiffen der zweiten Welle. Insgesamt waren für das Unternehmen Weserübung Nord zwei Gebirgsjägerdivisionen (2. und 3.) und fünf Infanteriedivisionen (69., 163., 181., 196., 214.) sowie Luftlandekräfte vorgesehen.


In Dänemark sollte die 198. Infanteriedivision (ID) bei Middelfart und Nyborg (Insel Fünen), Korör und Kopenhagen auf der Insel Seeland sowie in Gedser auf der Insel Falster angelandet werden. Auf Falster sollte die 4. Kompanie/Fjg-Rgt 1 abspringen und die Storströmbrücke nach Seeland nehmen und offen halten. Gleichzeitig sollten die 170. ID und die mit der Panzerabteilung z.b.V. 40 verstärkte 11. Schützenbrigade die Grenze nach Dänemark in breiter Front überschreiten.
Die Kriegsschiffgruppen 7 bis 11 waren für die Anlandung der Heerestruppen in Dänemark vorgesehen. Sie bestanden neben dem Linienschiff Schleswig-Holstein, das am 1. September 1939 die polnische Stellung auf der Westerplatte bei Danzig beschossen hatte, vor allem aus verschiedenen Minensuch- und Vorpostenbooten, Transportern und Schleppern.
Der Altmark-Zwischenfall. Am 16. Februar 1940 ereignete sich der sogenannte „Altmark-Zwischenfall“. Die Altmark war ein Trossschiff, welches das Panzerschiff Graf Spee auf See versorgt und von diesem 303 britische Gefangene übernommen hatte. Im Schutz norwegischer Hoheitsgewässer versuchte die Altmark Deutschland zu erreichen, wurde aber im Jossingfjord, nahe Stavanger, von dem britischen Zerstörer Cossack im Beisein norwegischer Torpedoboote gestellt und geentert. Die Gefangenen wurden befreit.
Norwegen protestierte gegen die Verletzung seines Territoriums. Großbritannien beschuldigte Norwegen im Gegenzug, dem Deutschen Reich Hilfe zu leisten, während das Deutsche Reich den Vorfall zum Anlass nahm, die Invasion in Norwegen und Dänemark zügig voranzutreiben.
Dabei sollte das Unternehmen den Charakter einer „friedlichen Besetzung“ haben, unter dem Vorwand, beiden Ländern bewaffneten Schutz geben zu wollen. Am 1. März unterzeichnete Adolf Hitler die Weisung Nummer 10a, den „Fall Weserübung“.


Auch auf alliierter Seite diskutierte man über das weitere Vorgehen in Skandinavien. Am 12. März 1940 entschied das britische Kriegskabinett die Wiederaufnahme der Pläne für eine alliierte Landung in Narvik, Trondheim, Bergen und Stavanger. Der am selben Tag geschlossene Finnisch-Sowjetische Waffenstillstand beendete jedoch die alliierten Vorbereitungen für den Finnlandeinsatz. Churchill gelang es aber, dem Kabinett die Genehmigung abzuringen, die norwegischen Hoheitsgewässer im Vestfjord und südlich von Trondheim zu verminen (Operation Wilfred). Darüber hinaus sollte, wie bereits geplant, ein alliiertes Expeditionskorps in Stavanger und Bergen sowie in Trondheim und Narvik angelandet werden, sobald deutsche Angriffsabsichten klar erkennbar wären (Plan R 4).


Auf deutscher Seite waren die Vorbereitungen für das Unternehmen am 26. März abgeschlossen. Als der Führer der rechtsextremen norwegischen Partei „Nasjonal Samling“, Vidkun Quisling, die deutsche Führung über Berichte der norwegischen Admiralität hinsichtlich der britischen Absichten informierte, legte Hitler den Beginn des Unternehmens Weserübung, den Wesertag, auf den 9. April 1940 fest. Auf beiden Seiten waren die Würfel nun gefallen. Informationen über eine bevorstehende deutsche Invasion, die Oberst Hans Oster vom Amt Ausland/Abwehr des OKW am 4. April an den niederländischen Militärattaché, Major Bert Sas, übermittelt hatte, wurden in Skandinavien nicht ernst genommen.

 

tl_files/bilder/magazin/geschichten/2012/2012-05-08_DWj3-12.jpg

Der vollständige, 7seitige Artikel erschien in der DWJ-Ausgabe 03-2012.

Zurück