Geschichten

Die Krieghoff-Story

„Krieghoff – Wir können Waffen“. So lautet ihr selbstbewusster Slogan. In diesem Jahr begeht die Ulmer Traditionsmanufaktur für Jagd- und Sportwaffen das 125-jährige Jubiläum. Grund genug für das DWJ, einen Blick in die Geschichte und auch hinter die Kulissen des bekannten Waffenherstellers zu werfen.

Waffen herstellen — das geht im 21. Jahrhundert selbstverständlich nicht ohne CNC-Maschinen und computergesteuerte Messtechnik. Allerdings auch nicht ohne solides Handwerk, Fingerspitzengefühl und viel Geduld. Zumindest, wenn man Krieghoff heißt und auf Qualität setzt.

Die H. Krieghoff GmbH mit Firmensitz in Ulm wird bereits in der 5. Generation als Familienunternehmen von den Geschäftsführern Dieter Krieghoff, Phil Krieghoff und Peter Braß mit derzeit 94 Beschäftigten geführt. In den vergangenen 125 Jahren hat sich das Unternehmen unter Jägern und Sportlern zugleich einen exzellenten Ruf erarbeitet. Und den wollen die Ulmer auch die nächsten 125 Jahre verteidigen, wie Ralf Müller, Büchsenmachermeister und Prokurist bei einem Besuch in Ulm konstatierte.

Nachhaltigkeit. Im Jubiläumsjahr läuft in der Krieghoff-Waffenschmiede eigentlich alles wie bisher. Warum sollte es auch anders sein? Schließlich hat man sich das Fachwissen rund um die Bearbeitung von Metall und Holz und wie man daraus eine perfekte Waffe strickt in jahrelanger Kleinarbeit erworben. Bei Krieghoff arbeiten die Konstrukteure, Büchsenmacher und Graveure meist von der Ausbildung bis zum Rentenalter. Auch wenn die Vorarbeiten mittlerweile von modernen CNC-Maschinen übernommen werden, die aus Baskülenrohlingen oder Gewehrläufen die Vorlagen für K-80, Semprio und andere Modelle herrichten. Entsprechend laut geht es auch in der Konstruktionshalle zu. Jedoch: Trotz des Maschinenlärms herrscht auch hier eine entspannte Ruhe vor. Die braucht es auch, um hochpräzise Arbeit zu leisten.

Die Menschen hinter der Waffe. Beim Rundgang durch die Firmengebäude lässt sich das Entstehen einer Waffe ganz logisch nachvollziehen. An jeder Station geht es einen Schritt weiter, manchmal mit Maschinen, die man eher im Museum vermuten würde, die aber für diese Anforderungen geschaffen wurden und scheinbar nie aus der Mode kommen. Weil sie Dinge können, für die es keinen vollautomatischen Apparat geben kann und die auch einen Bediener benötigen, der genau weiß, was er tut.

Einen wie Markus Häußler. Der Laufrichter wuchtet jeden einzelnen Lauf in einer Art Schraubstock hin und her, überprüft die Geradlinigkeit mit bloßem Auge, korrigiert und richtet nach. Was auf den ersten Blick so roh und zufällig aussieht, entpuppt sich als Ergebnis eines jahrelangen Trainings, das ein gewisses Talent voraussetzt. „Wer an dieser Maschine ist, muss quasi ebenso ein passendes Händchen für einen Gewehrlauf haben wie die ‚Nase‘ eines Parfümherstellers den richtigen Riecher für die neueste Kreation“, meint Ralf Müller.

Die Düfte, mit denen Heinz Schwichtenberg täglich konfrontiert ist, sind sicher nicht jedermanns Sache. In der „Waschküche“ des Brünierers dampft und brodelt es. Rauch steigt über den Becken auf, in denen die Metalle in saure oder alkalische Lösungen eingelegt werden, um diese vor Korrosion zu schützen. Der Herr über die Säfte weiß genau, wie lange und wie heiß die Bäder sein dürfen. Eine nicht ganz ungefährliche Arbeit, die ebenfalls viel Sachverstand voraussetzt. Seine Arbeit voll im Griff hat auch Hans Follmer. Er ist der „Meister“ über das Hartlöten, bedient einen riesigen Kolben, unter den er metallische Teile hält, windet und biegt. „Hier gleicht kein Handgriff dem anderen, täglich muss man aufs Neue wieder sich auf das Metall einstellen“, so Follmer. Den Zusammenhang zwischen extremer Hitze und der Reaktion des Materials zu verstehen und so einzusetzen, dass ein hochwertiges Produkt dabei heraus kommt – kein Problem für Hans Follmer. Auch wenn er sich bewusst ist, dass er täglich mit höchster Konzentration ans Werk gehen muss. Da darf man sich alleine auf der Erfahrung nicht ausruhen.

Zahlreiche Einzelstationen, daran interessante Charaktere – das erlebt der Besucher beim Gang durch die „Heiligen Hallen“ von Krieghoff. Am Ende landet alles bei Helmut Span. Er übernimmt die Endkontrolle über die K-80-Sportflinten und hat die Verantwortung darüber, wie die Waffe zum Kunden kommt. Keine einfache Sache, kostet eine K-80 doch rund 10?000 Euro. Da muss alles passen.

Beim Einschießen. Doch halt: Kein Krieghoff-Produkt verlässt das Haus, wenn es vorher nicht an Uwe Holl vorbeigekommen ist. Als Einschießer arbeitet er in einem unterirdischen, 100 m langen Schießkanal, wo die Waffen geschossen werden. Neben der Abschussvorrichtung steht ein Monitor, auf dem das Bild einer Videokamera zu sehen ist, die den Schuss dokumentiert. „Wer bei uns ein Gewehr kauft, erhält dazu ein individuelles Schussbild und eine Empfehlung, mit welcher Munition es geschossen wurde“, erklärt Holl.

Keine Frage, hier wird nichts dem Zufall überlassen. Phil Krieghoff erklärt die Firmen-Philosophie: „Wir konzentrieren uns auf das, was wir am besten können, nämlich hervorragende Waffen zu bauen. Das heißt für uns, traditionelles Handwerk mit modernster Fertigung zu vereinen sowie stets innovativ zu sein. Und das seit inzwischen 125 Jahren.“

Klingt vollmundig, ist aber auch nicht zu hoch gegriffen. Denn während der eine oder andere Mitbewerber im selben Segment auf eine breite Produktpalette und dem Preis entsprechende Qualitätsstandards setzt, geht es bei Krieghoff nach wie vor und ausschließlich nur um den Bau hochwertiger Jagd- und Sportwaffen und nicht um aggressive Werbung. „Auch diese Art von Zurückhaltung steht für Krieghoff“, erläutert Ralf Müller. Zwar habe man gerade im US-amerikanischen Markt andere K-80-Modelle platziert, die sich schon alleine vom Design her völlig gegenüber der üblichen Produktpalette absetzen. Das sei jedoch auch ein ganz anderer Markt. In Deutschland konzentriere man sich nach wie vor auf das Kerngeschäft.

Anfänge in Suhl. Die Wurzeln der H. Krieghoff GmbH liegen jedoch nicht in Ulm, sondern im thüringischen Suhl, dem früheren Zentrum des Jagd- und Sportwaffenbaus in Deutschland. Hier gründete im Jahr 1886 Ludwig Krieghoff die Firma Sempert & Krieghoff. Das Unternehmen von Ludwig Krieghoff war in der Anfangszeit eine bescheidene Drei-Mann-Werkstatt, wie viele derzeitiger Suhler Waffenmanufakturen. Bereits zu dieser Zeit lag der Schwerpunkt auf hochwertigen Waffen für die Jagd. Noch heute gilt Ludwig Krieghoffs damalige Erkenntnis „Die Läufe schießen, aber der Schaft trifft“. So wurde das patentierte Schaftmaßverfahren zur Grundlage für die Krieghoff-Gewehre.

Einen gewaltigen Aufschwung nahm das Unternehmen, als der jüngere Sohn Ludwig Krieghoffs, Heinrich, im Jahr 1916 eine eigene Firma, die Heinrich Krieghoff Waffenfabrik, gründete und 1919 auch die väterliche Firma Sempert & Krieghoff übernahm. Als begnadeter Konstrukteur entwickelte Heinrich unter anderem ein Selbstladegewehr und eine hakenlose Flinte. Auch die legendären Krieghoff-Drillinge entwickelte er weiter. Sie sind auch heute noch fester Bestandteil des Programms.

Bevor mit Kriegsbeginn die Fertigung von Jagdwaffen verboten wurde, fertigte man bei Krieghoff in Suhl sage und schreibe 71 verschiedene Jagdwaffenmodelle. Auch damals schon war der Drilling der wichtigste Waffentyp in der Krieghoff-Fertigung.

Der weitere Aufschwung des Unternehmens wurde jedoch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges jäh unterbrochen. Die gesamten Fertigungsanlagen wurden von den sowjetischen Besatzern gesprengt. Heinrich Krieghoff wurde mit Familie und einigen seiner engsten Mitarbeiter von den Amerikanern zwangsevakuiert nach Heidenheim/Brenz. An Waffenfertigung war in Heidenheim zunächst nicht zu denken, war diese doch strengstens verboten. So hielt sich die kleine Gruppe um Heinrich Krieghoff und seinen später aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Sohn Heinz-Ulrich mit allen möglichen Beschäftigungen über Wasser. Der lang ersehnte Wiedereinstieg ins gewohnte Metier begann mit dem Umbau von Wehrmachtskarabinern in Jagdbüchsen – mit Sondergenehmigung natürlich. So wurden zahlreiche, in erster Linie von der amerikanischen Besatzungsmacht gelieferte Repetierer umgearbeitet.

Neuanfang in Ulm. Der eigentliche Neustart begann mit dem Umzug nach Ulm in zunächst angemietete Räumlichkeiten. Als erste „Waffen“-Herstellung wurde die Fertigung von Luftgewehren wieder erlaubt, und so begann man mit deren Produktion. Die Entwicklung der Sportflinte K-32 bescherte Krieghoff internationalen Erfolg, unter anderem durch den Gewinn der Weltmeisterschaft im Trapschießen 1966 durch Kenneth A. Jones. Durch die schrittweise Liberalisierung der Herstellung von Jagd- und Sportwaffen begann auch die weitere Entwicklung des Unternehmens.

Im Jahr 1953 konnte dann endlich die Fertigung von Drillingen wieder aufgenommen werden. Diese sogenannten Försterdrillinge waren gleichsam der Startschuss für den Neubeginn nach dem Krieg. Bereits im Jahr 1960 wurde ein eigenes Gebäude in der Boschstraße, dem heutigen Firmensitz, gebaut, welches zwischenzeitlich mehrmals erweitert wurde. Für die erfolgreiche Geschäftsentwicklung sorgten in den 1960er- und 1970er-Jahren die Drillingsmodelle Trumpf und Neptun, auf denen der Produktionsschwerpunkt lag, aber auch Bockwaffenmodelle wie zunächst Einschloss und Alb sowie später die Modelle Teck und Ulm. Maßgeblichen Anteil an der Geschäftsentwicklung von Krieghoff hatte (und hat) neben der Jagdwaffenfertigung die Ausweitung des Produktbereichs um Wurfscheibenflinten für die Disziplinen Trap, Skeet und Jagdparcours. Heute ist Krieghoff mit den Modellen K-80 und K-20 sowie eigener Service- und Vertriebsniederlassung in den USA enger denn je mit dem Wurfscheibenschießen verbunden.

Es wird maschineller. Ab Mitte der 1970er-Jahre hielten modernste Fertigungstechnologien auch bei Krieghoff ihren Einzug. CNC-gesteuerte Werkzeugmaschinen, computerunterstützte Konstruktion und computerunterstützte Fertigung (CAM) sind heute aus der Produktion nicht mehr wegzudenken. So entstanden in den folgenden Jahren die Zweischloss-Kombihandspannermodelle Optima, Ultra und Classic sowie die Kombihandspanner-Kipplaufbüchse Krieghoff-Hubertus. Jüngster Spross der Produktpalette ist die In-Line-Repetierbüchse Semprio.

Die nächste Generation. Mit Phil Krieghoff, der mit Geschäftsführer Peter Braß das operative Geschäft verantwortet, ist heute die fünfte Krieghoff-Generation mit der Leitung des Familienunternehmens betraut. Auch die US-amerikanische Marktpräsenz ist fest in Familienhand und wird seit über 30 Jahren von Dieter Krieghoff betreut. International erfolgreiche Schützen wie die Bronzemedaillen-Gewinnerin in der Trap-Disziplin bei den olympischen Spielen in Peking, Corey Cogdell und der amtierende Junioren-Weltmeister im Skeet, Jon Michael McGrath, schießen die Krieghoff K-80.

Natürlich seien auch Feierlichkeiten geplant, ebenso wie Produktneuheiten, mit deren Vorstellung im Laufe des Jahres gerechnet werden könne, so Phil Krieghoff. Dieter und Phil Krieghoff sowie Geschäftsführer Peter Braß setzen dabei auf ein kompetentes, hoch qualifiziertes und motiviertes Team. „Seit Jahrzehnten bilden wir im Unternehmen Jugendliche zu Büchsenmachern aus, um so auch den Facharbeiternachwuchs aus den eigenen Reihen für die Zukunft sicherzustellen,“ so Peter Braß.

 

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