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von Nataly Kemmelmeier

Amokdrohungen an Schulen - Die Studie einer Psychologin

Die Psychologin Sarah Neuhäuser hat Untersuchungen zum Thema Amokdrohungen und Amokläufe an Schulen angestellt. Ihre Ergebnisse hat die Bergisch-Gladbacherin nun in einem Buch zusammengetragen und veröffentlicht. Zudem erläutert sie die neuen Erkenntnisse in einem Interview.

Bereits während des Studiums der Psychologie wurde Sarah Neuhäuser auf die Problematik bezüglich Amokdrohungen und Amokläufe an Schulen aufmerksam. Obwohl die Bundesrepublik nach Amerika im internationalen Vergleich auf Platz zwei der Amokläufe an Schulen steht, ist das Thema in Deutschland bisher kaum erforscht worden, auch da es sich im ein relativ neues Phänomen handelt. Für Neuhäuser ein Anreiz, sich mit Amokandrohungen an Schulen im Zeitraum von 2005 bis 2010 zu befassen.

Die Recherche gestaltete sich jedoch als äußerst schwierig. Gesicherte Zahlen oder einheitliche Erfassungen gab es nicht und nicht alle Bundesländer waren bereit oder hatten die notwenigen Ressourcen, Daten ausfindig zu machen beziehungsweise zur weiteren Verwendung freizugeben. Tiefergehende Untersuchungen brachten schließlich eine Zahl von 2612 Amokandrohungen an Schulen zu Tage, wobei auch hier die Vorsicht walten sollte. Zum einen gibt es keine einheitlichen Standards, ab wann von einer Amokandrohung zu sprechen ist. Zum anderen sind sicherlich bundesweit nicht alle Vorfälle an allen Schulen bekannt. Im wissenschaftlich betrachteten Zeitraum registrierte Neuhäuser insgesamt fünf realisierte Amokläufe, darunter die von Emsdetten und Winnenden. Interessant: Unmittelbar nach den großen, medial aufbereiteten Amokläufen stieg die Anzahl der Drohungen teilweise um das 30-fache an. Das gleiche gilt für die jeweiligen Jahrestage.

Sarah Neuhäuser kommt sodann zu folgenden Schlüssen:

  • Die Mehrzahl der Täter, die selten dem klassischen Profil eines Gewaltäters entsprechen, ist männlich. In nur zehn Prozent der Fälle kamen die Drohungen von Mädchen.
  • Das Durchschnittsalter der Personen, die Amokläufe androhen, liegt bei 16,6 Jahren.
  • Die Täter kommen zum Großteil aus Familien, die der Mittelschicht angehören.
  • Die Schulform mit den häufigsten Androhungen ist das Gymnasium. Dort sind Leistungsdruck und hierarchisches Gefälle größer. Im  Untersuchungszeitraum wurde auch eine Drohung an einer Grundschule registriert.
  • Bisher gab es vor jedem Amoklauf an Drohungen und andere Anzeichen. Diese wurden jedoch häufig nicht ernst genommen.
  • Auslöser von Amokdrohungen ist nicht immer der klassiche Fall von Mobbing. Häufig spielt das jugendliche Alter eine Rolle, in dem man leichter verletzbar ist und oft Kleinigkeiten ungerecht findet.
  • Lehrer reagieren in vielen Fällen nicht, da sie vor der Konfliktsituation mit dem Schüler und dessen Eltern zurückschrecken.

Die Psychologin Sarah Neuhäuser betont jedoch auch, dass bei einem Amoklauf nicht immer Schusswaffen in Gebrauch sind. Es gibt Fälle, bei welchen Äxte oder kleine Brandbomben zum Einsatz kommen. Zudem fordert Neuhäuser eine einheitliche Fortbildung für Lehrer, um Anzeichen besser erkennen und vor allem aufarbeiten zu können. Zudem wäre es wünschenwert, zukünftig Daten über Amokandrohungen zentral zu erfassen. Hier sei die Politik gefordert.

Das 160 Seiten zählende Buch „Amokdrohungen und School-Shootings. Vom Phänomen bis zur praktischen Prävention“ hat Neuhäuser zusammen mit dem Journalisten und WDR-Moderator Armin Himmelrath verfasst. Es ist bereits im März 2013 erschienen.

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