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Kurznachrichten

von Nataly Kemmelmeier

Polizeibewaffnung: „Kompetentere Information bitte!"

Die Stuttgarter Zeitung berichtete am 12. Februar über die Ausrüstung der Polizei in Baden-Württemberg mit Maschinenpistolen. DWJ-Autor Erhard Wolf fordert in einem offenen Brief mehr Kompetenz in der Berichterstattung.

Der Inhalt des Beitrages ist auch unter diesem Link zu finden.Er erschien unter dem Titel „Polizei rüstet gegen Terrorgefahr auf“ und wurde von Julia Bosch verfasst.

Hier der offene Brief im Wortlaut:

„Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Bosch,

in diesem Artikel berichten Sie darüber, dass für die Polizei 3000 neue Maschinenpistolen angeschafft werden sollen. Die Anschaffung wurde wie folgt begründet:

Zitat aus dem Artikel: In Paris standen die Polizisten Terroristen mit Kriegswaffen und Kriegsausrüstung gegenüber. Zitat Ende. Sie sollten sich diese absolut zutreffende Aussage von Herrn Innenminister Gall in Erinnerung rufen, wenn Sie nach dem nächsten Terroranschlag in Ihrer Zeitung, wie so oft in der Vergangenheit geschehen, gegen legale Waffenbesitzer hetzen und gemeinsam mit Politikern und Journalisten in schöner Regelmäßigkeit eine Verschärfung des Waffengesetzes fordern. Der Besitz von derartigen Kriegswaffen ist in Deutschland, in Frankreich und den meisten anderen Ländern der EU absolut verboten. Nur, Terroristen die solche Anschläge verüben wollen, halten sich nicht an Gesetze, sie ignorieren sie einfach und lachen nur darüber. Nach den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht haben sich Politik und Medien in trauter Einigkeit sehr schnell beeilt darauf hinzuweisen, dass die Vorfälle auf keinen Fall etwas mit den in Köln lebenden Immigranten zu tun hätten und dass man niemanden vorverurteilen oder unter Generalverdacht stellen darf. Haben Sie jemals gehört oder gelesen, dass sich jemand aus der Politik oder den Medien in der gleichen Weise vor die legalen Waffenbesitzer wie Jäger, Sammler oder Sport- und Brauchtumsschützen gestellt hat und darauf hingewiesen, dass man diese nicht alle über einen Kamm scheren und unter Generalverdacht stellen darf? Ich jedenfalls nicht. Der Hinweis auf den Amoklauf von Winnenden darf natürlich nicht fehlen, führt aber bei sachlicher und unvoreingenommener Betrachtung an der Ursache solcher Vorfälle völlig vorbei. Für die interessengeleiteten Waffengegner in der Politik und in den Leitmedien ist und bleibt das ein großer Knochen, der sich, sehr zum Leidwesen der Opfer und der Hinterbliebenen, noch lange trefflich abnagen lässt.

Zitat aus dem Artikel: Paris habe auch gezeigt, dass die Polizei nicht nah genug an die hochgerüsteten Terroristen herankomme, um mit den alten Maschinenpistolen des Typs Heckler & Koch MP5 aus den 1970er- und 1980er-Jahren mit ihrer geringen Reichweite von 15 bis 20 Metern etwas ausrichten zu können, berichtete Landespolizeipräsident Gerhard Klotter. Die neuen Pistolen sollen eine Reichweite von 50 Metern haben. Zitat Ende.
Die derzeit bei der Polizei verwendete Maschinenpistole MP5 im Kaliber 9 mm Para und 30-Schuss-Magazin hat also laut Herrn Klotter eine Reichweite von 15-20 Metern. Diese Aussage ist wirklich sehr beeindruckend. Und die neuen Maschinenpistolen habe dann eine Reichweite von 50 Metern! Na immerhin.Wie heißt es doch so schön: „Der Leiter einer Hühnerfarm muss keine Eier legen können“ und ein Landespolizeipräsident muss offensichtlich keine Kenntnisse über die Schusswaffen und deren Munition haben, die von seinen Beamten im Dienst geführt und verwendet werden.

Dazu möchte ich folgende Anmerkungen zur Richtigstellung der Aussagen von Herrn Landespolizeipräsident Klotter machen. Die bei der Polizei geführten Pistolen und Maschinenpistolen sind alle für das Kaliber 9x19, im gängigen Sprachgebrauch auch als 9 mm Para, bezeichnet, eingerichtet.Der in Fachkreisen bekannte Schusswaffenexperte Autor und Verfasser zahlreicher Fachbeiträge Siegfried F. Hübner war unter anderem auch Berater und Ausbilder von Polizei und Bundesgrenzschutz in Deutschland, z.B. bei der GSG 9 in Sankt Augustin, dem SEK Baden-Württemberg in Göppingen und dem LKA in Stuttgart. In seinem Buch über Combat-Schießtechnik schreibt er auf Seite 222 in Tabelle 10, Technische Daten der Maschinenpistolen über die MP5 von Heckler & Koch, folgendes:

Munition 9 mm Para, Schussfolge 650/min., Magazininhalt 30 Schuss, Anfangsgeschwindigkeit 400 m/s. Gebrauchsweite 75 m / 200m! Das Visier ist eingestellt/eingeschossen auf 100 Meter. Größte Schussweite 1600 Meter. Der Gefahrenbereich beträgt über 2000 Meter. Die MP5 ist also trotz ihres Alters durchaus noch auf der Höhe der Zeit und erfüllt alle Anforderungen. Ob nun alt oder neu, spielt eigentlich nur eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist, dass die Beamten eine solche Waffe im Einsatz beherrschen und damit umgehen können.

Sie haben in Ihrer Zeitung vermutlich unbeabsichtigt und in Ermangelung entsprechender Sachkenntnisse Aussagen veröffentlicht, die nicht den Tatsachen entsprechen und, wie ich nachgewiesen habe, unrichtig sind. Das liegt auch daran, dass Journalisten, egal für welche Medien sie arbeiten und berichten, nur sehr geringe, in der Regel aber überhaupt keine Sachkenntnisse über Schusswaffen besitzen. Die meisten Journalisten kennen nicht einmal den Unterschied zwischen einem Revolver und einer Pistole oder können den Unterschied zwischen einer Büchse und einer Flinte erklären. Bei der Unterscheidung zwischen einem Halbautomaten und einem Vollautomaten ist dann endgültig Schluss. Was sie jedoch alle eint, ist, dass die meisten Journalisten wissen, dass das gefährliche Ende an einer Waffe vorne ist. Aber berichten, berichten können seltsamerweise trotz mangelnder Sachkenntnisse alle Journalisten darüber. Sehr geehrte Frau Bosch, ein Germanistik- und Jurastudium ist sicherlich eine gute Grundlage, um als Journalistin bei einer großen Regionalzeitung zu arbeiten, aber um derartige Artikel zu schreiben, reicht das halt leider nicht. Also schreiben Sie bitte nicht über Dinge, von denen Sie nichts verstehen. Bitte bedenken Sie: Eine abgeschossene Pistolenkugel und ein einmal veröffentlichter Zeitungsartikel holt kein noch so inniges Gebet mehr zurück, zumal dieser Artikel inzwischen auch von anderen Zeitungen, wie der Cannstatter Zeitung, der Esslinger Zeitung und dem Konstanzer Südkurier übernommen wurde. Ich möchte Sie daher bitten, bei zukünftigen Artikeln, die diesen sensiblen Themenbereich betreffen, etwas mehr Sorgfalt bei Ihrer Berichterstattung walten zu lassen und gegenüber den legalen Waffenbesitzern verbal abzurüsten, um so zu einer Versachlichung des Themas beizutragen.


Mit freundlichen Grüßen

Erhard Wolf"

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